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Platz 3 - Simon Grosslercher

7. Woche - NGC 772, eine supergroße Spiralgalaxie

Fotografiert von: Simon Großlercher | | Astrofoto der Woche

Das heutige AdW führt uns weit außerhalb des lokalen Universums. Es zeigt ein Aufnahmefeld von 34,5' x 29,6' mit der auffälligen Spiralgalaxie NGC 772 im Sternbild Aries (Widder). Aus Gründen des Bildformats ist Norden rechts und Osten oben. NGC 772 wird als Typ SA(s)b geführt. Über ihre Radialgeschwindigkeit von 2472 km/s kann die Entfernung zu rund 110 Mio. Lj bestimmt werden. Hier im AdW lässt sich bis in die schwächsten Außenzonen ein scheinbarer Längsdurchmesser von 7,9' bestimmen. Das ist extrem groß für diese Entfernung und bedeutet einen wahren Durchmesser von 250.000 Lj. Damit übertrifft NGC 772 die Milchstraße um mehr als das Doppelte. Die scheinbare visuelle Helligkeit der Galaxie beträgt 10,31 mag bei einem Farbindex B-V = 0,78 mag. Folglich sollte NGC 772 im Mittel weißlichgelb erscheinen. Sie weist jedoch eine kräftige orangegelbe Farbe auf, was wiederum durch das Blau eines hervorstechenden Spiralarms relativiert wird.

Halton Arp nahm NGC 772 als Objekt Nr. 78 in seinen Katalog und wies auf die seltsame Spiralstruktur der Galaxie hin. Offensichtlich weicht diese Formgebung deutlich von einer symmetrischen Armstruktur ab. Was geht hier eigentlich vor sich? Verformte Spiralarme sind stets ein klarer Hinweis auf gravitative Störungen von außerhalb. Der Astronom redet dann gern von einer "Wechselwirkung". Und genau diese Wechselwirkung setzte in dem auffälligen Spiralarm auch eine kräftige Sternentstehung in Gang - daher die blaue Armfarbe. Störenfried ist die kleine Galaxie NGC 770 bei den Pixelkoordinaten (1033/1188). Ihr Typus wird in der NASA Extragalactic Database (NED) als E3 bezeichnet. Das AdW lässt dies ebenfalls klar erkennen. Hier liegt ein Vergleich mit dem System M 31 nahe: So wie die elliptischen Zwerge M 32 und NGC 205 die Andromeda-Galaxie umkreisen, umkreist der elliptische Zwerg NGC 770 seine große Schwester NGC 772. Dass beide tatsächlich zusammengehören und nahe beisammen stehen, beweist die Radialgeschwindigkeit von NGC 770. Sie ist mit 2543 km/s ähnlich hoch wie die von NGC 772. Übrigens gibt es bei NGC 770 eine ganz seltene Besonderheit: Ihr eigener Kernbereich rotiert entgegengesetzt (Geha et al. 2005). Modellvorstellungen zufolge haben sich hier zwei zunächst separate Zwerggalaxien zu einer einzigen elliptischen vereint. Eine zweite Begleitgalaxie von NGC 772 ist noch bei (1326/698) zu sehen: LEDA 1577957.

Schauen wir uns jetzt einmal an, was sich um NGC 772 und 770 herum abspielt. Dazu hier klicken! Im kontrastgesteigerten Bild zieht sich ein extrem langer Spiralarm von Osten über Norden nach Westen um NGC 772 herum. Erst 1997 konnte gezeigt werden, dass diese lichtschwache Struktur, die schon Arp bekannt war, stark in Hα leuchtet. Ferner offenbart sich südlich (links) von NGC 770 eine Aufhellung (türkiser Pfeil). Es scheint, als zöge die Zwerggalaxie einen Schweif hinter sich her, während sie auf NGC 772 zusteuert. In der Fachastronomie nennt man eine solche Erscheinung "plume", einen "Federbusch". Falls NGC 770 bei ihrem ständigen Umkreisen auch durch NGC 772 hindurchsaust, ist dieses Phänomen sofort zu verstehen: Gas und Sterne werden abgestreift, vom elliptischen Zwerg bleibt zum Schluss nur noch der relativ dichte Kern übrig. Nach Osten (oben) ist eine schwach strukturierte Fortsetzung erkennbar (gelbe Pfeile). Dieses Gebilde gleicht einem extrem schwachen äußeren Spiralarm von NGC 772. Näheres dazu ist in der Fachastronomie nicht bekannt. Und genau auf der Gegenseite von NGC 772 (roter Pfeil) ist ein nebeliges Fleckchen zu sehen. Im Sloan Digital Sky Survey ist es gerade zu erahnen - hier deutlich sichtbar. Ob es sich um einen stellares Objekt handelt (vielleicht eine neue Zwerggalaxie?) oder nur um einen Teil des galaktischen Zirrus - das kann hier nicht geklärt werden - ist auch ganz neu und bisher nirgends in der Fachastronomie erwähnt.

Das heutige AdW stammt von Simon Großlercher aus Tirol. Er ist Mitglied der TBG-Gruppe (tief belichtete Galaxien) in der Fachgruppe Astrofotografie. Für diese tiefe Aufnahme kam sein Selbstbau-Newton von 250 mm Öffnung und 1125 mm Brennweite auf einer Montierung des Typs EQ 8 zum Einsatz. CCD-Kamera war eine Atik One 6.0. Belichtet wurde 74 x 10 min (L) und je 12 x 10 min (RGB), also 18 h 20 min insgesamt. Dementsprechend tief sind auch die sehr lichtschwachen Bilddetails, deren Erreichbarkeit neben einem guten Himmel auch ein sauberes bearbeitungstechnisches Handwerk erfordert. Insbesondere ist ein makelloses Flatfield vonnöten, ansonsten kann man die extrem lichtschwachen Strukturen weder reproduzierbar aufzeichnen noch eindeutig interpretieren. Auf www.astronomis.at kann man mehr von Simon Großlerchers Astrofotografie sehen!

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Simon Großlercher ist ein noch junger österreichischer Astrofotograf, der sich durch seine fein ausgearbeiteten Bildergebnisse und ein empfehlenswertes PixInsight-Grundlagen-Tutorial einen guten Namen in der Szene erworben hat. Die im Rahmen dieses AdWs präsentierte Galaxie zeigt exemplarisch, was heute bei einem mittleren technischen Einsatz (10-Zoll-Teleskop, Brennweite 1300 mm, 3000 € CCD-Kamera mit kleinen Pixeln von 4,54 µm x 4,54 µm) und einer guten Bildbearbeitungssoftware möglich ist.

Das alles anzuschaffen macht aber noch kein gutes Astrofoto! Erst das erfolgreiche Umschiffen der technischen Klippen (vor allem Optikjustage, Fokussierung, Nachführung, Dateienreduktion und -kalibration) sowie der sichere Umgang mit den verschiedenen Softwares, dazu eine gehörige Portion „guten Geschmacks“ bringt eine solches Bild auf den Schirm – farblich exzellent und mit einer nach zentral anwachsenden Detailschärfung gelingt Simon Großlercher ein ausgezeichnetes Galaxien-Portrait.

Kommentar zum Bild: Dr. Stefan Binnewies und Frank Sackenheim

Koordinaten (J2000.0):

RA = 01 h 59 min 20 s, DE = +19° 00' 27"

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