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16. Woche - Venus im UV-Licht bei besten Bedingungen

| Astrofoto der Woche

Glücklicherweise gibt es in diesen Tagen noch andere Worte, die mit „V“ beginnen. Sehr auffällig und mit einer Deklination von rund +25° kann die Venus derzeit als derzeit auffälligstes Objekt am westlichen Abendhimmel bis lange nach Sonnenuntergang beobachtet werden. Am 3. April 2020 kam es sogar zu einer seltenen Begegnung mit den Plejaden. Von dieser Begegnung bringen wir hier im AdW nichts – es gab genug dazu in allen Medien. Was wir aber unbedingt bringen, ist eine hervorragende Aufnahme der Venus mit ihren Wolkenstrukturen. Dieses heutige AdW ist aus Gründen der Aktualität „dazwischengeschoben“. Daher mögen die Autoren der nachfolgenden AdWs Nachsicht haben und bitte eine Woche länger warten. Angesichts der hübschen Venus … sollte das sicher kein großes Problem sein.

Für uns „Nordhalbkugler“ ist die größte östliche Elongation im Frühjahr eine günstige Gelegenheit, Venus hoch am Himmel zu beobachten. Den größten Winkelabstand von ca. 46° zur Sonne erreichte Venus am Abend des 24. März 2020. Als „positive Nebenwirkung“ der derzeitigen allgemeinen Situation mit weitgehend nicht vorhandenem Luftverkehr kam eine außergewöhnliche Transparenz und Luftruhe der Atmosphäre dazu, die durch stabile und große Hochdruckgebiete begünstigt wurde. Fachgruppenmitglied Wolfgang Bischof gelangen in den vergangenen Tagen wiederholt ungewöhnlich detailreiche und brillante Aufnahmen der Venus im UV-Licht. Verbreitet konnten in Deutschland und selbst im Heimatort des Bildautors, Recklinghausen im Ruhrgebiet, welches nicht direkt prädestiniert für beste Luftbedingungen ist, Sichtbarkeitsbedingungen angetroffen werden, die man selten erlebt. Auch mir bleibt eine Venusbeobachtung am Taghimmel dieser Tage in Erinnerung, die ich so noch nicht zu Gesicht bekommen habe. So „funkte“ ich am 4. April eine Beobachtung mit Foto in die Mailingliste der Fachgruppe Astrofotografie, dass Venus am Taghimmel extrem ruhig zu sehen war. Das konnte auch Wolfgang Bischof begeistert bestätigen. So entstanden zwischen dem 4. und 7. April die besten Venusaufnahmen, die dem Bildautor bisher gelangen.

Der Bildautor schreibt: „Als Instrument kam ein Spiegelteleskop der Bauart Newton mit einer Öffnung von 8 Zoll (200 mm) und einem Öffnungsverhältnis von 1:6 zur Anwendung. Für die Aufnahmen wurde mit einer Zeiss-Abbe-Barlowlinse eine Brennweitenverlängerung von ca. 2-fach erreicht, was einer effektiven Brennweite von ca. 2,4 m entspricht. Der Reflexionsverlust im ultravioletten Wellenlängenbereich bei 360 nm betrug nur ca. 5%. Aufnahmekamera war eine monochrome CMOS-Videokamera des Typs ASI 178 MM der Firma ZWO. Als UV-Luminanzfilter sowie für den B-Kanal wurde ein fotometrischer Filter der Marke Astrodon-Photometrics Bessel-Johnson, für den R-Kanal ein Astrodon G- und für den G-Kanal ein Astrodon B-Farbfilter verwendet. Das entspricht quasi einer Verschiebung eines lückenlos aufgenommenen Farbspektrums in den sichtbaren Spektralbereich. In allen Farbfiltern, auch im NIR, waren auch nach starker Schärfung keine Strukturen der Venusatmosphäre sichtbar. Aufgenommen wurden 16-Bit SER Videos mit 20.000 Einzelbildern. Davon wurden 50% zum Ergebnis gestackt. Wichtig war der Aufnahmezeitpunkt. Die ruhigste Atmosphäre gab es um den Zeitpunkt des Sonnenuntergangs. Das dann noch starke UV-Streulicht in der Atmosphäre stellte jedoch kein Problem dar. Die Schärfung erfolgte mit Giotto, einem Programm aus der gefühlten digitalen Steinzeit, aber für mich unverzichtbar. Zur Farbsynthese und Endbearbeitung kam Photoshop CS5 zum Einsatz. Zwischen Ende März und Anfang April fühlte ich mich wie im Film "Täglich grüßt das Murmeltier". Fast jeden Tag gab es gute Beobachtungsbedingungen. Einmal war es sogar möglich, die Rotationsperiode der Wolken zu 3,7 bis 3,9 Tagen zu bestimmen, eine gute Übereinstimmung mit den allgemein publizierten 4 Tagen.“ Es wurden insgesamt drei komplette Wolkenrotationen dokumentiert. „Nach jeder Rotation sind die Einzelstrukturen allerdings nicht wiederzuerkennen“, so der Autor weiter. Die vorliegende Aufnahme entstand am 6. April 2020 um 17:35 Uhr UT.

Was hat es mit den Strukturen auf den UV-Bildern auf sich und warum werden sie erst im UV-Licht sichtbar? Das ist keine einfache Angelegenheit. Üblicherweise erkennen die meisten nur eine gleichmäßig helle und strukturlose Venus. Das Interessanteste ist dann noch die sichtbare geometrische Phase wie beim Mond. Am 5. April konnte ich selbst visuell mit einem Violettfilter zarte helle und dunkle Strukturen in der Venusatmosphäre sehen, da die Luft sehr stabil und ruhig war. Neben hellen Polflecken und Randaufhellungen waren auch schwache dunkle Bänder ausgehend vom Terminator zu erkennen, zugegeben nicht sehr auffällig, aber sichtbar. Ein benachbarter Sternfreund konnte diese Phänomene sogar noch deutlicher erkennen, offensichtlich hat er ein intensiveres Wahrnehmungsvermögen für diese im tiefen blauen und violetten Wellenlängenbereich sichtbaren Merkmale. Wie man an diesen Beobachtungen erkennt, hat die Venus in diesen Tagen einiges an Beobachtungsprogrammen zu bieten. In der vorliegenden UV-Licht Aufnahme tritt ein seltsames dunkles Wolkenmuster zutage – über den kompletten Planetenkörper meist geformt wie ein riesiges „Y“ oder „C“. Wie die Venussonde Mariner 10 nachwies, bewegt sich dieses Y zudem nicht nur wie eine einzige große Einheit, sondern auch mit einer anderen Geschwindigkeit als der Rest der sonst eintönigen strukturlosen dichten Wolkendecke. Die Rätsel um die Entstehung dieses Wolkenmusters sind noch nicht wirklich endgültig gelüftet. Klar schien nur, dass die im UV-Licht dunkle Farbe wahrscheinlich durch eine unbekannte chemische Verbindung in der Atmosphäre erzeugt wird, die das Licht dieser Wellenlänge besonders effektiv absorbiert. Aber warum sammelt sich diese Substanz in dieser auffälligen Wolkenform? Man vermutet, dass es mit der Tatsache zusammenzuhängen scheint, dass der Planet sich sehr langsam dreht, die obere Atmosphäre dagegen sehr schnell. Wie Wissenschaftler feststellten, ist ein Faktor die extrem ungleiche Rotation des Planeten und seiner Atmosphäre: Während die Venus 243 Tage für eine Umdrehung benötigt, sogar länger als ein Venusjahr (225 Erdtage), umkreist ihre dichte Wolkenschicht den Planeten in nur vier Tagen – sie rast gewissermaßen über einen nahezu ruhenden Planetenkörper. Diese Diskrepanz führt offensichtlich dazu, dass wellenartige Strömungen entstehen, die am Äquator am stärksten sind und von tieferen Schichten in die Höhe führen. „Diese vertikalen Turbulenzen bewirken das Aufsteigen der UV-schluckenden Chemikalien“, berichten Forscher. Die starken Winde der oberen Wolkenschichten erzeugen dann im Laufe der Zeit die rätselhafte Y- oder C-Form: Während der starke Wind, der nach Westen weht, vom Äquator bis in die mittleren Breiten mehr oder weniger konstant bleibt, wird der Durchmesser in den höheren Breiten des Planeten kleiner und dadurch kreisen die Winde schneller als am Äquator – das verzerrt die Welle nach und nach. Eine abschließende Erklärung ist den Wissenschaftlern aber noch nicht gelungen.

Wir finden, Wolfgang Bischof ist mit dieser Aufnahme eine außergewöhnlich eindrucksvolle Dokumentation der Wolkenschicht der Venus gelungen, die in dieser Form von Amateurastronomen selten erreicht sein dürfte und gratulieren ihm zum Astrofoto der Woche.

 

Jens Leich

Bildautor: Wolfgang Bischof
 

 

 

 

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