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06. Woche - NGC 7129 - ein Sternentstehungsgebiet im Cepheus

| Astrofoto der Woche

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Heute geht es wieder um eine Nebelzone. Der Cepheus - das haben wir schon mehrfach erlebt - ist eine besonders von interstellarer Materie geprägte Himmelsregion. Hier liegt NGC 7129, ein helles Sternentstehungsgebiet. Das Bild zu diesem Deep-Sky-Objekt schickte unser österreichischer Kollege Patrick Winkler. Er nutzte am Aufnahmeort Piregg in der Steiermark ein 16-zölliges Ritchey-Chrétien-Teleskop von ASA mit 400 mm Öffnung und 3200 mm Brennweite. Als Kamera wurde eine ZWO ASI6200MM Pro verwendet. Das Bild - ein reines LRGB - entstand bereits im September 2021 und wurde wie folgt belichtet: 165 min (L), 72 min (R), 69 min (G) und 75 min (B). Dabei wurde im 2x2-Binningmodus verfahren. Patrick schreibt: "Das Seeing war sehr gut in den Nächten (~ 1,0 - 1,4"), gemessen mit einem Seeingmonitor Alcor Cyclope."  Das Bildfeld misst 37,7' x 25,1' und zeigt Norden oben, Osten links.

NGC 7129 ist ein Reflexionsnebel. Er wird durch einige helle Sterne erleuchtet, von denen jedoch keiner einen früheren Spektraltyp als B3 erreicht.  Die UV-Energie dieser Sterne reicht also nicht, um hier eine rot leuchtende HII-Region zu erzeugen. NGC 7129 präsentiert sich als typischer Nebel: Er steckt im Inneren der ausgedehnten CO-Molekülwolke Nr. 18 aus dem Katalog von Yonekura et al.:  Molecular Clouds in Cepheus and Cassiopeia; Astrophys. J. Suppl. Ser. 110, 21-69 (5/1997). Sie hat eine Fläche von ca. 0,5° x 1° und ist mit den dunklen Lynds-Staubwolken LDN 1181/83 assoziiert. Und so zeigt sich eine sehr gemischte Zone mit abwechselnd hellen, verschieden farbigen Reflexionsanteilen. Was sofort auffällt: NGC 7129 stellt ein Loch in der Molekülwolke dar, keinen erhabenen (vollen) Nebel im leeren All. Die Ränder der elliptischen Höhle würden rot leuchten als bright rims, wenn Hα strahlen würde. So leuchten sie einfach nur blau bis bläulich-weiß. Die beiden Sterne im nördlichen Randbereich sind (a) LkHα 234 bei den Pixelkoordinaten (1467/1149), ein 12,7 mag heller Stern des Typs Herbig Ae/Be und (b) der 14,6 mag helle 2MASS J21430168+6607089. Beide sind vom Spektraltyp B3 bzw. B5, sollten also blau leuchten in einem LRGB-Bild. Das geht aber nicht, weil sie inmitten der interstellaren Materie stecken und daher deutlich gerötet werden, so dass sie ihre Farbe von Blau nach Gelb verschieben. Der hellste Stern in der freien Höhle ist BD+65°1638 mit 10,4 mag und Spektraltyp B3. Er leuchtet tatsächlich blau, wird also nicht vom Staub und Gas farblich verändert. Ob er wirklich zu NGC 7129 gehört, ist fraglich, denn seine Parallaxe unterscheidet sich sehr von der Parallaxe der beiden erstgenannten Sterne im Nebel selbst. Für sie ergibt sich bzgl. NGC 7129 eine Entfernung von 3000 Lichtjahren.

In Wirklichkeit (so zeigen Aufnahmen im Nahinfrarotbereich) steckt in NGC 7129 ein junger Sternhaufen von etwa 3 Millionen Jahren. [FSR2007] 0374, so sein Katalogname, besteht aber nur aus Sternen geringer Masse, meistens vom Typ T Tauri oder FU Orionis. Diese Sterne befinden sich noch im Babyalter, sie sind noch nicht stabil und daher veränderlich.

Interessant im direkten Nebelbereich sind ein paar kleine helle Fusselchen in gelber bis oranger Farbe. Es handelt sich einerseits um Herbig-Haro-Objekte (das sind Auswürfe leuchtender Materie aus jungen frisch geborenen Sternen, die noch von Staubscheiben umgeben sind, andererseits um kleine rötliche Reflexionsnebelchen, die dem NGC 7129 aufgesetzt sind. Bei (1810/1398) befindet sich HH 103, bei (1348/1078) liegt HH 105, dann noch HH 234 bei (1275/1010). Auffällig ist der stark strukturierte Reflexionsnebel RNO 138 bei (1543/1345). RNO 138 bedeutet: Objekt Nr. 138 aus dem Nebelkatalog von M. Cohen: Red and Nebulous Objects in dark clouds, a survey; Astron. J. 85, 29-35 (1/1980). Hier scheint ein Sternchen aus dem Staub heraus sein Licht nach außen zu streuen. Man könnte noch weitere Herbig-Haro-Objekte vermuten, aber dem ist nicht so: Auch sie sind lediglich rötliche Reflexionsnebel.

Anmerkungen:

(a) Dass hier ein zweifaches Binning angewandt wurde, leuchtet vollkommen ein. Der Sensor der Kamera hat bei 62 MP eine Fläche von 36 mm x 24 mm, also das Kleinbild-Vollformat. Die Pixel messen 0,00376 mm, würden also bei 3200 mm Brennweite einen Bildmaßstab von 0,24"/px ergeben. Wenn bei einem Seeing von 1,4" das zweifache Binning angewandt wird, kommt der Bildmaßstab auf 0,48"/px - sehr gut und ideal passend zur Abtastung der Sternscheibchen!

(b) Ich muss wirklich staunen, welche Qualität das Bild in sich trägt. Vergleicht man mit den älteren POSS-Aufnahmen, so muss man ungläubig fragen: War das damals die gewünschte Qualität, die den Einsatz eines Big Schmidt erforderlich machte? Abgesehen davon: Ein Lob dem Bildautor, der seine Teleskoptechnik und die Bildbearbeitung dazu bestens beherrscht. So sind im Höhlenzentrum zwei Doppelsternchen von 2" Distanz deutlich getrennt. Und dann wurde keinerlei übertriebene Entrauschung vorgenommen - was mir persönlich absolut zusagt.

Vielen Dank für das wirklich überzeugende Bild. Und deshalb gratuliert das AdW-Team Patrick Winkler ganz herzlich zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Patrick Winkler

 

Koordinaten (J2000.0) von NGC 7129:
RA = 21 h 42 min 57,6 s, Dec = +66° 06' 50"

 

 

 

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