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11 .Woche - Der Katzenpfotennebel NGC 6334

Fotografiert von: Mario Richter | | Astrofoto der Woche

Der Skorpion ist reich an galaktischen Nebeln. Das aktuelle AdW befasst sich mit einer HII-Region, die 2,5° nordwestlich des Skorpionstachels liegt: NGC 6334. Die auffällige Form hat diesem Nebel den populären Namen „Katzenpfotennebel“ eingebracht. Der Autor, Mario Richter, ist neu im Kreis der AdW-Astrofotografen. Wir begrüßen ihn ganz herzlich. Er schreibt: „Ich verfolge regelmäßig das AdW, nahm aber an, dass die Bilder von euch aus der normalen Galerie ausgesucht werden. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt nicht, dass es hierfür eine eigene Uploadseite gibt.“ So ist es – und jeder kann sich beteiligen, wie Mario Richter jetzt. Er war im Mai 2018 in Namibia auf der Farm Tivoli. Dort hat er mit einer modifizierten Canon 60d und einem Takahashi FAQ 106ED dieses schöne Motiv fotografiert, 35 x 7 min belichtet. Die Nordrichtung liegt auf etwa 10 Uhr und das Bildfeld beträgt 2,4° x 1,6°.

 

Das ist aber nicht alles - jetzt die gewohnten Informationen zum fotografierten Motiv. So wie viele südliche Nebel ist auch der Katzenpfotennebel mit dem Namen Colin S. Gum verbunden. Dieser australische Astronom verfasste 1955 seine bekannte Arbeit „A Survey of Southern HII Regions“ in Mem. Roy. Astron. Soc. 67, 155-177. Demnach besteht der gesamte Nebelkomplex aus den einzelnen HII-Regionen Gum 61, 62, 63 und 64. Wer sich für Details interessiert, bitte jetzt das Originalbild herunterladen, weil wieder Positionsangaben als Pixelkoordinaten folgen.

 

Gum 61 liegt bei (2845/1877) und weist eine runde Form von ca. 8' Durchmesser auf. Bei den genannten Pixelkoordinaten erkennt man drei dicht beieinander liegende Sternchen von gelber Farbe. Der oberste ist VdBH 86a mit dem Spektraltyp O6V und dem Farbindex B-V = 1,30 mag, was als Farbe gelborange bedeutet. Der mittlere der drei Sterne ist VdBH 86b, Spektraltyp O7V und Farbindex B-V = 0,81 mag (gelblich). Der untere ist VdBH 86c, Spektraltyp O9.5 und Farbindex B-V = 1,24 mag (gelborange). Diese drei Sternchen sind junge, heiße O-Sterne, die Gum 61 zur Emission anregen. Sie müssten theoretisch eigentlich knallblau sein. Hat der Bildautor also eine falsche Farbkalibrierung vorgenommen? Nein! Die Sterne stecken tief im Nebel und sind deshalb sehr stark gerötet.

Gum 62 befindet sich östlich (hier also unterhalb) von Gum 61. Die etwa 12' große HII-Region hat den Stern HD 156738 etwas außerhalb ihres Zentrums bei (2610/2208). Der Spektraltyp ist O6.5III und der Farbindex B-V = 0,92 mag. Das bedeutet eine sehr starke „Rötung“ von Blau nach Gelb. Auch hier steckt der ionisierende Stern tief „im Dreck“. Und jetzt etwas Seltsames: Colin Gum bezeichnet seinen Nebel Nr. 62 als „NGC 6334“. Und daher sind auch die Koordinaten von NGC 6334 in Simbad mit denen von Gum 62 identisch. Das ist der Grund, weshalb ich hier andere Koordinaten wähle, die für den Astrofotografen objektzentriert und damit geeigneter sind.

Jetzt zunächst zu Gum 64. Er besteht aus drei Teilen: Gum 64a bei (2567/1876) beherbergt im Inneren den offenen Sternhaufen [BDS2003] 97. Er ist aber nur im Infrarotbereich nachweisbar. Gum 64b bei (2353/2042) ist die auffallende runde HII-Region, die direkt nördlich (hier: nach links oben) an Gum 62 anschließt. Bei (2286/2015) liegt der O8-Riese HD 319702, ebenfalls stark nach Gelb gerötet. Aus seiner Parallaxe von 0,6201 Millibogensekunden errechnet sich eine Entfernung von 5250 Lj für den Nebelkomplex. Und schließlich finden wir Gum 64c bei (2212/1711). Über einen zentralen anregenden Stern ist hier nichts bekannt.

Gum 63 ist der Nebelbereich um den Stern HD 319699 bei (2282/1457). Dieser heiße Stern des Spektraltyps O5V ist gemäß B-V = 0,68 mag nach weiß gerötet. Auch er hat eine gemessene Hipparcos-Parallaxe. Aus 0,5812 Millibogensekunden folgt eine Entfernung von 5600 Lj. Das ist etwas mehr als eben. Nehmen wir daher einmal 5400 Lj als Richtwert an, so lässt sich für den gesamten Katzenpfotennebel mit der hier gemessenen Ausdehnung von 50' eine wahre Größe von gut 80 Lichtjahren angeben – etwa doppelt so groß wie M 42.

Was steckt noch Interessantes im Bild? Da wäre der kleine Reflexionsnebel GN 17.15.6.01 bei (2354/1273). Der überlagerte, schwache bläuliche Schimmer ist auf einen der beiden Sterne im Nebel zurückzuführen, einen B0-Stern. Und als Bochumer freue ich mich persönlich über den offenen Sternhaufen bei (2393/635). Das ist Bochum 13, einer von insgesamt 15 unauffälligen, locker aufgebauten Sternhaufen, die am Astronomischen Institut der Bochumer Ruhr-Universität entdeckt wurden (Moffat & Vogt, 1975). Aus der Fotometrie von vier OB-Sternen ließ sich für Bochum 13 eine visuelle Absorption von 2,7 mag bestimmen, außerdem eine Entfernung von 1,7 kpc (5540 Lj). Damit dürfte Bochum 13 zum Komplex des Katzenpfotennebels gehören. Und zum Schluss sei noch die Dunkelwolke Barnard 257 bei (1655/2187) genannt, an der zwei lichtschwache HII-Regionen liegen. Was sich innen drin befindet, bleibt ungeklärt.

Anmerkung zum AdW: Ich greife die starken Rötungen der anregenden O-Sterne kurz auf, um vielleicht einmal einen kleinen technischen Hinweis anzubringen. Astrofotografen kalibrieren ihre Sternfarben immer noch gern nach der „G2-Stern-Methode“. Ein G2-Stern ist als sonnenähnlicher Stern weiß und dient daher als korrekte Farbvorlage. Das ist grundsätzlich zwar richtig, aber der Spektraltyp kann durch interstellare Materie – wie wir hier sehen – stark verfälscht werden. Ein G2-Stern ist weiß – keine Frage, aber nur, wenn zwischen ihm und uns keine interstellare Materie zur Rötung führt. Einen gelben Stern im Staub als „weiß“ zu deklarieren, das wäre fatal.

Dem Bildautor sei ganz herzlich für dieses gelungene, informative Bild gedankt. Wir gratulieren zum AdW!

Peter Riepe

 

Koordinaten der fotografischen Mitte von NGC 6334 (J2000.0):

RA = 17 h 20 min 02 s, DE = -35° 51´ 36´´

 

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Kontakt zum AdW-Team: fg-astrofotografie@vds-astro.de. Kontakt zum Bildautor: Dazu klicken Sie einfach oben auf den Namen. Sie können auch den Namen des Autors anklicken (rechte Maustaste) und dann die Mailadresse kopieren.

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