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14. Woche - Der Supernovaüberrest HB 3

Fotografiert von: Markus Blauensteiner | | Astrofoto der Woche

Zwischen dem Herznebel IC 1805 und dem östlichen Stern Epsilon Cassiopeiae befindet sich nahe der HII-Region IC 1795 ein riesiger Supernova-Überrest (SNR). Er wurde 1953 von Hanbury Brown & Hazard entdeckt, daher der Katalogname HB 3. Wir zeigen heute eine extrem tiefe Aufnahme von HB 3, angefertigt von Markus Blauensteiner. Aufnahmeort war Verclause in Südfrankreich. Als Teleskop kam ein Takahashi Epsilon 130ED von 130 mm Öffnung und 430 mm Brennweite zum Einsatz, dazu als Kamera eine Moravian G2-8300. Alles befindet sich auf einer Montierung des Typs 10micron GM2000 HPS II. Ab dem 18.11.2018 und den folgenden Tagen wurde wie folgt belichtet: 19 x 10 min (L), je 18 x 10 min (RGB), Hα+[NII] 89 x 10 min (HWB = 7 nm), [OIII] 145 x 10 min (HWB = 8,5 nm), gesamt also 51 Stunden. Während der Belichtungen waren keine Nachführkorrekturen nötig - ein Hinweis auf die gute Poljustage der Montierung. Der Bildautor schreibt: „Die Idee für dieses Objekt stammt von Sakib Rasool, der sich viel mit PNe und SNR beschäftigt und mir eine ganze Liste spannender Objekte übermittelt hat.“

Jetzt ein wenig Hintergrundwissen zum Objekt. Der SNR besitzt auch eine Katalognummer nach galaktischen Koordinaten, und zwar SNR G132.6+01.5. Er gleicht einer großen Schale oder Blase, deren hellster Teil im Westen liegt. Zwar ist die Gesamtstruktur geschlossen und ragt bis in die linke, obere Bildecke. Aber insgesamt wirkt das Gebilde doch ziemlich fragmentiert und durchsetzt von vielen feinen Filamenten. Die lichtschwächsten Partien liegen im Norden und Nordosten. Nach Südosten (links unten) schließen sich die Ausläufer der HII-Region IC 1795 an. Das Alter von HB 3 beträgt laut Lazendic & Slane (2006) etwa 30.000 Jahre.

SNR leuchten nicht, weil sie durch einen heißen Zentralstern zum Leuchten angeregt werden wie die HII-Regionen. Sie leuchten vielmehr, weil beim Zusammenprall mit dem interstellaren Medium das Leuchten angeregt wird. Hier im Fall von HB 3 kollidiert der SNR mit dem Gebiet W3 - einem Komplex aus Gas, Staub und Molekülwolken direkt westlich von IC 1795 (Xin Zhou et al. 2016: Interaction between the supernova remnant HB 3 and the nearby star-forming region W3; Astroph. Journal 833, article id. 4, 11 pp.). Der Name W3 bedeutet das dritte Objekt aus dem Katalog von Gart Westerhout, der 1958 am 25-m-Radioteleskop von Dwingeloo eine erste große Liste von Objekten erstellt hat, die im Radiobereich bei 21 cm Wellenlänge nachgewiesen werden konnten. W3 ist etwa 7200 Lj entfernt, was also ebenfalls für HB 3 gilt. Auch HB 3 wurde im Bereich der Radiowellenlängen untersucht (Robert Fesen et al., 1995: Optical and Radio Emission from the Galactic Supernova Remnant HB 3 (G132.6 +1.5); Astrophys. Journal 110, 2876). Bei 1,42 GHz konnte eine Radio-Filamentstruktur nachgewiesen werden, die dem optischen Hα-Bild verblüffend gleicht. Zusätzliche optische Spektraluntersuchungen ergaben, dass HB 3 am stärksten in Hα leuchtet. Hier ein Hinweis für Astrofotografen: Oft wird übersehen, dass auch die beiden direkt bei Hα liegenden [NII]-Linien einen kräftigen Beitrag zum roten Licht beitragen. Bei HB 3 erreichen diese beiden [NII]-Linien immerhin 58% der Stärke der Hα-Linie! Das Transmissionsfenster der üblichen Hα-Schmalbandfilter lässt diese [NII]-Linien natürlich ebenfalls durch! Deshalb, liebe Astrofotografen: Schreibt nicht: Hα-Filter, sondern Hα+[NII], so wie es hier beim AdW immer gemacht wird (wir halten uns an die Schreibweise der Profi-Astronomen). Jetzt weiter. Im Gegensatz zur Hα-Linie ist die [OIII]-Emission bei 500,7 und 495,9 nm nur sehr schwach in HB 3 vertreten, was auch an dem relativ wenigen Blaugrün im AdW erkennbar ist - trotz der überlangen [OIII]-Belichtung. Sicherlich spielt hierbei auch die hohe galaktische Extinktion eine Rolle. Sie führt zu einer visuellen Absorption von 2,2 mag (im Blaubereich sogar noch stärker). Und noch eines: Überraschenderweise entpuppte sich die doppelte [SII]-Linie bei 671,6 und 673,1 nm als sehr stark. Sie kommt auf ca. 75% der Hα-Intensität. Eine [SII]-Filterung kam hier jedoch nicht zum Einsatz, vielleicht kann das noch nachgelegt werden?

HB 3 expandiert seit seiner Entstehung weiterhin. Aus dem geringen [OIII]-Anteil schließen die Astronomen, dass die Expansionsgeschwindigkeit aber deutlich unter 100 km/s liegt. Wie groß ist eigentlich HB 3? Der radioastronomische Durchmesser wird in der Fachliteratur mit 80' angegeben (Green 2014: A Catalogue of Galactic Supernova Remnants (2014 May version); Bulletin Astron. Soc. of India 42, 47-58). Kothes et al. (2006) haben 2,07° x 1,78° gemessen. Schaut man sich das Klickbild nochmals an, so bemerkt man oben links in der Bildecke offensichtliche weitere SNR-Filamente. Von hier aus bis zum Südrand sind es optische 120' – eine Bestätigung der Werte von Kothes und Kollegen. Auf die Entfernung umgerechnet sind das 250 Lj - riesengroß! Im Vergleich dazu ist der Cirrusnebel im Schwan zwar winkelmäßig größer (2,6°). Er kommt aber aufgrund seiner kleineren Distanz von 1760 Lj nur auf einen wahren Durchmesser von 80 Lj, und das ist wesentlich kleiner als HB 3.

Anmerkungen: Im heutigen AdW sind zwei Dinge hervorzuheben. Erstens: Trotz der überlagerten Bildbeiträge der beiden Schmalbandfilterungen Hα+[NII] und [OIII] hat Markus Blauensteiner die Darstellung von Falschfarbenaufnahmen wie dieser hier mit längjähriger Übung so perfektioniert, dass die Sternfarben ziemlich natürlich wirken. Dass die Farben dabei relativ blass sind und nicht durch Hochziehen der Farbsättigung bunter gemacht wurden, liegt sicherlich am persönlichen Geschmack des Autors. Zweitens: Auch im Hintergrund bleibt die Farbgebung neutral. Das zeigt sich daran, dass die ADU-Werte der drei Farbkanäle in den Dunkelwolken recht gleichwertig sind - mit den üblichen Fehlerbalken. Was den Bildausschnitt angeht, so wurde der hellste Nebelbogen in die Bildmitte gelegt. Dadurch ist der der südliche Henkel von HB3 nicht mehr im Bild. Denn wie das Zusatzbild zeigt, ragt eine weitere nach Süden abzweigende Schale noch etwa 12' aus dem Bild heraus (hier klicken). Dazu wurde ein Hα-Bild aus Fesen et al. (1995) verwendet und im gleichen Maßstab auf die gleiche Deklinationshöhe gesetzt.

Dem Bildautor einen herzlichen Dank für diese interessante und extrem tiefe Aufnahme. Enorm, was eine dermaßen kurze Brennweite leisten kann. Unsere Gratulation zum AdW!

Peter Riepe

 

Koordinaten von HB 3 (J2000.0):

RA = 02 h 17 min 40 s, DE = +62° 45´ 00´´

 

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Kontakt zum AdW-Team: fg-astrofotografie@vds-astro.de. Kontakt zum Bildautor: Dazu klicken Sie einfach oben auf den Namen. Sie können auch den Namen des Autors anklicken (rechte Maustaste) und dann die Mailadresse kopieren.

 

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