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19. Woche - Der Monoceros-Supernovarest und sein Umfeld

| Astrofoto der Woche

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Im heutigen AdW stellen wir einen Himmelsabschnitt vor, den jeder kennt – eigentlich … aber nicht alle Objekte sind geläufig. Wir blicken in das Sternbild Monoceros (Einhorn) mit seinem bekannten Rosettennebel, dazu das Gebiet um den Weihnachtsbaum-Sternhaufen. Günter Kerschhuber hat die Aufnahmen zu diesem AdW in mehreren Nächten des Winters 2021/22 an der Sternwarte Gahberg (Attersee/Salzkammergut) aufgenommen. Es handelt sich um ein Zweifachmosaik, entstanden mit einer einfachen, aber bewährten Ausrüstung: Canon 6Da und Canon EF200 2.8 auf einer iEQ30Pro Montierung, je Feld 60 Aufnahmen à 5 Minuten bei ISO 800 belichtet. Weiter teilt Günter mit: "Als Aufnahmesoftware habe ich APT, zum Nachführen mit Loadstar PHD verwendet, die Bearbeitung des Rohbildes, das Erstellen des Mosaiks, Farbkalibrierung und die anschließende Bearbeitung erfolgten in PixInsight. Mit Starnet++ wurde eine sternloses Bild erzeugt, das dann in Photoshop zur Verstärkung der Nebelanteile im Bild mit der Ebenenfunktion ´negativ Multiplizieren´ hinzugefügt. Mein Ziel war die gesamte Sternenfülle und die schwachen Nebelanteile abzubilden.“ Das Bildfeld misst 10° 11' x 12° 31', wir zeigen es hier im Hochformat. Norden ist oben, Osten links.

Zum Bild und den vielen enthaltenen Objekten. Das prominenteste ist der Rosettennebel. Er wurde im AdW 17/2022 ausführlich besprochen. Etwa 2,5° südlich des Rosettennebels sieht man bei den Pixelkoordinaten (2099/4350) eine kleine, rundliche HII-Region mit zentraler Höhle, ähnlich wie die des Rosettennebels. Sie wird wissenschaftlich mit [C51] 142 = [GS55] 98 = Sh2-280 = LBN 970 bezeichnet, gemäß dem Hα-Katalog von G. Courtès (1951), dem Katalog von V.F. Gaze und G.A. Shajn (1955) sowie dem Sharpless- und dem Lynds-Katalog. Noch etwas weiter südöstlich liegt bei (1730/4730) die HII-Region [GS55] 101 = SH 2-282 = LBN 978, am nördlichen Ausläufer befindet sich der offene Sternhaufen Collinder 110. Die Entfernungen von Sh2-280 und Sh2-282 werden von Fich & Blitz (1984) mit 1,7 kpc (5545 Lj) bzw. 1,5 kpc (~4900 Lj) angegeben.

Jetzt in den Nordteil des AdWs. In den Sternenwolken befindet sich ein Dunkelwolkenkomplex von ca. 1,6° Ausdehnung in Ostwestrichtung ins Auge: LDN 1605 sowie Barnard 38. Nach Norden hin löst sich dieser Komplex strähnig auf. Am östlichen Rand von Barnard 38 gibt es bei (1920/1190) eine dunkle Einschnürung, das ist Dobashi 4729. Etwa 18' nördlich davon erkennt man im Dunkel die isolierte HII-Region [GS55] 100. Der gesamte sich daran nach Süden und Osten anschließende Areal leuchtet rot in Hα-Emission. Hier befindet sich die Sternassoziation Mon OB1. Sie geht bei (1490/1500) in die hell strahlenden Sterne des „Weihnachtsbaums“ NGC 2264 über. Hellster Stern dieses offenen Sternhaufens ist 15 Monocerotis (1488/1407). Der 4,6 mag helle Doppelstern besitzt 35 + 24 Sonnenmassen (Spektraltypen O7 und B2) und ist auch als Veränderlicher S Mon bekannt. Seine Entfernung beträgt 950 Lj (Gieß et al., 1997). NGC 2264 ist gänzlich in die HII-Region Sh2-273 = LBN 911 eingebettet. Ihr südliches Ende bildet der bekannte Konusnebel bei (1458/1607). Er ist ein markanter Teil einer Dunkelwolke, die Sh2-273 ihrerseits umgibt.

Wechsel vom Weihnachtsbaum nach 65' nach Westen. Bei (1920/1572) trifft man auf den offenen Sternhaufen Trumpler 5 (kurz: Tr 5). Er besitzt viele gelbe bis orangefarbene Sterne, was einerseits auf ein entwicklungsbedingt hohes Haufenalter hindeutet. Andererseits zeigt es auch die hohe Extinktion durch galaktischen Staub und damit eine größere Entfernung. Zunächst etwas zum Haufennamen: Der Schweizer Robert Julius Trümpler (mit ü) wurde am 2.10.1886 in Riesbach bei Zürich geboren. Infolge des Ersten Weltkrieges begab er sich 1915 in die USA, wo er dann als Astronom arbeitete. Er wurde bekannt durch seine Forschungen an offenen Sternhaufen. Als er 1921 die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt, wurde sein Name von Trümpler zu Trumpler geändert (die englisch-amerikanische Sprache kennt keine Umlaute). Die Trumpler-Klassifikation offener Sternhaufen ist noch heute geläufig. Während seiner Zeit am Lick Observatory entstand eine seiner wichtigsten Arbeiten „Preliminary results on the distances, dimensions and space distribution of open star clusters“, University of California Publications Astronomy, Lick Observatory Bulletin no. 420, p. 154-188 (1930). Robert Julius Trumpler starb am 10.9.1956 in Oakland (Kalifornien). Für Tr 5 gibt Trumpler selbst einen scheinbaren Durchmesser von 9' an, dazu eine Entfernung von 9600 Lj. Das bedeutet tatsäcchlich, dass der Sternhaufen nicht zu Mon OB1 gehört, sondern weit dahinter steht – wie schon die Haufenrötung andeutet.

Weitere 80' nach Westen steht der blau leuchtende Reflexionsnebel IC 447 = IC 2169 = LBN 903. Wolfgang Steinicke gibt in seinem NGC/IC (2019) als Position für J2000.0 an: RA = 06 h 31 min 04.0 s, Dec = +09° 52' 00“. Das trifft tatsächlich das optische Nebelzentrum. Simbad hingegen positioniert den Nebel 14' weiter nördlich – wie dies auch immer zu erklären ist ...

Und jetzt zum zentralen Objekt dieses AdWs. Zwischen Sh2-273 und dem Rosettennebel erkennt man bei genauem Hinsehen eine etwa 240' ausgedehnte, runde Struktur als rot leuchtenden Ring. Im Zusatzbild 1 ist das AdW stark aufgesteilt als Schwarzweißbild zu sehen, der Nebelring tritt deutlich hervor. Dieser „Monoceros Loop“, ist ein Supernovarest, der etlichen Lesern unbekannt sein dürfte. Daher für Interessierte jetzt ein wenig Hintergrundwissen. Dass hier ein Emissionsobjekt vorliegt, wurde erstmals 1963 von R.D. Davies radioteleskopisch bei einer Frequenz von 237 MHz erkannt und in Observatory 83, Seite 172 angemerkt. Die Astronomen W.W. Morgan et al. fertigten  von NGC 2244 und 2264 Hertzsprung-Russel-Diagramme an. Dabei nahmen sie auch das Umfeld der beiden Sternhaufen unter die Lupe. Aus ihrer Publikation im Astrophys. J. 142, p. 974 (10/1965) habe ich das Zusatzbild 2 entnommen. Es zeigt in einer Schmidt-Aufnahme den Monoceros Loop sehr deutlich. D.J. Holden untersuchte das Objekt bei 178 MHz und veröffentlichte 5 Jahre später „Some extended radio sources in Monoceros“ in Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 141, p. 57, 1968. Er löste die Struktur bereits auf und schrieb: „Die Eigenschaften des Nebels legen nahe, dass es sich um einen Supernovarest handelt.“ W.L. Gebel und S.N. Shore berichten über eine thermische Punktquelle in weicher Röntgenstrahlung nahe beim Ringzentrum. Dies wäre ein möglicher Kandidat für einen Neutronenstern, der ja stets als Rest einer Supernova angesehen wird. In ihrer Arbeit „On the Nature of the Monoceros Supernova Remnant“ im Astrophys. J. 172, p.L9 (2/1972) gaben sie auch ein dynamisches Alter von 300.000 Jahren an, dazu eine Hüllenexpansion von 100 km/s. Der Monoceros Loop SNR G205.0+00.5 gilt heute als gesicherter Supernovarest (Green 2019). Im West- und Nordbereich wurden optisch feine Fasern und Filamente nachgewiesen.

Anmerkungen: Bilder wie dieses zeigen, dass nicht nur die Ästhetik eines einzelnen Objekts in der Astrofotografie zählt, sondern dass ein weitwinkeliges Feld auch informative Überraschungen und zahlreiche Details bereit hält. Günter Kerschhuber ist damit wieder einmal ein feines und auch technisch überzeugendes AdW gelungen! Das AdW-Team bedankt sich vielmals und gratuliert herzlich zum Astrofoto der Woche.

 

Peter Riepe
Bildautor: Günter Kerschhuber

 

Koordinaten des Monoceros Loop (J2000):
RA = 06 h 38 min 43 s, DE = +06° 30,2''

 

 

 

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