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19. Woche - Der Supernovarest IC 443

| Astrofoto der Woche

Das Sternbild Zwillinge beherbergt an seiner westlichen Grenze zum Stier zwischen den Sternen η Gem (= Eta Geminorum) und μ Gem (= My Geminorum) den bekannten Supernovarest IC 443. Das aktuelle AdW zeigt IC 443, aufgenommen im Zeitraum vom 20.01. bis 08.02.2021 von Hans Bernd Dörfeldt, Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie. Die Bildfeldgröße ist 84,4' x 56,5', Norden liegt auf etwa 10:30 Uhr. Aufnahmeort war die Kanarische Insel Fuerteventura. Verwendet wurde ein Apochromat 130 mm / 650 mm der Marke TS mit festem Korrektor/Flattener. Als Kamera kam dazu eine ZWO ASI 1600 MM Pro. Benutzt wurden Baader-Filter für LRGB, dazu Hα mit 7 nm Halbwertbreite. Die benutzte Montierung war eine 10Micron GM1000HPS. Belichtet wurde 30 x 450 s + 59 x 300 s für Hα, RGB je 25 x 240 s, insgesamt also 13 h 40 min. Als weitere technische Details teilt der Bildautor mit: „Autoguiding durch Montierung, Bearbeitung mit Fitswork, PixInsight und Photoshop, Aufnahmesteuerung mit Sequence Generator Pro.“

Was ist noch wissenswert zum Objekt und zum Umfeld? Das Zusatzbild zeigt ein größeres Feld aus dem online-Himmelsatlas Aladin. Die dazu in der Datenbank Simbad angegebene Position von IC 443 lautet RA = 06 h 18 min 02.7 s, Dec = +22° 39' 36''. Sie befindet sich an dem gelben Kreuz. Seltsam? Nein, denn Simbad macht keine eigenen Messungen, sondern gibt momentan die Daten an, die es aus den Originalquellen erhält. In diesem Fall ist es der LEDA-Katalog von 2003. Das wird auch so benannt. Dennoch: Jeder Astrofotograf wird sagen: „Der Schwerpunkt von IC 443 liegt doch ein ganzes Stück davon entfernt.“ Richtig! Und daher listen wir hier besser passende Koordinaten auf, im Zusatzbild als rotes Kreuz markiert. Im Zusatzbild sind η Gem und μ Gem eingezeichnet, nördlich von μ Gem liegt die HII-Region Sh2-249. In Richtung IC 443 hat sie einen Ausläufer, mit dem IC 443 gerade kollidiert. Im AdW ist ein Teil davon sichtbar.

IC 443 besitzt eine sehr komplexe Struktur. Diese Komplexität ergibt sich aus der unmittelbaren Wechselwirkung zwischen den expandierenden Gaswolken von IC 443 und der ausgedehnten „Gemini OB1 Molecular Cloud“ auf RA = 06 h 19 min, Dec = +23° 00'. Da diese Molekülwolke größere Dichteunterschiede aufweist, kann die Supernova-Explosionswolke nicht einheitlich in runder Form expandieren. So besitzt IC 443 im Südwestbereich einige dezentrale Filamente, die den Eindruck von Tentakeln erwecken. Bildlich ergibt sich eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Qualle. Das hat IC 443 den Beinamen „Quallennebel“ eingebracht.

IC 443 ist einer der am besten untersuchten Supernovareste. Er leuchtet im optischen Spektrum im Wesentlichen in den Emissionslinien Hα, [O III] und [S II]. Der Supernovarest ist etwa 5000 Lj entfernt (Fesen 1984). Im AdW lässt sich der scheinbare Durchmesser zu 50' nachmessen. Daraus ergibt sich eine wahre Ausdehnung von 72 Lj – doppelt so groß wie der Große Orionnebel. Das Alter von IC443 ist nicht genau bekannt, die Angaben variieren zwischen 3000 und 30000 Jahren (Petre et al. 1988). Eine wahrscheinlich präzisere Altersbestimmung stammt von Lee et al. (2008), sie kommt auf 20000 Jahre. IC443 ist nicht nur im optischen Spektralbereich zu sehen. Der von den Filamenten eingeschlossene Innenbereich leuchtet stark im Bereich der Röntgenwellenlängen. Auch in Radiowellenlängen kann IC 443 gut beobachtet werden.

Der Überrest einer Supernova ist stets ein Neutronenstern (Pulsar). Üblicherweise sollte der grob in der Mitte des expandierenden Supernovarestes stehen. Man fand weit außen im südlichen Bereich von IC 443 die Röntgenquelle 2XMM J061705.2+222129, einen kometarischen Synchrotronnebel mit Stoßfront. 2006 konnten Gaensler et al. zeigen, dass auch eine thermische Quelle vorliegt, die als Neutronenstern angesehen wird. Bisher wurden aber keine Pulse gefunden. Der kometarische Schweif wurde auch in Radiowellenlängen nachgewiesen. Seine Richtung sorgt aber für erhebliche Diskussionen.Wenn der Neutronenstern mit einer Stoßfront durchs Innere von IC 443 zieht, dann sollte er sich vom Zentrum von IC 443 wegbewegen. Seine Bewegungsrichtung ist aber um 80° dagegen gekippt. Ob der Neutronenstern mit IC 443 überhaupt eine physikalische Verbindung hat, bleibt umstritten. Interessanter ist eine andere Entdeckung. Albert et al. 2007 und Acciari et al. 2009 fanden im Zentralbereich von IC 443 bei 16 h 16 min 50 s und +22° 30' eine Quelle extrem starker Gammastrahlung. Um die drehen sich zahlreiche Forschungsarbeiten der letzten Jahre.

Anmerkungen: Ein technisch sauber aufbereitetes Bild von Bernd Dörfeldt. Es wurde in Hα und RGB belichtet. Dabei wurden die Hα-Belichtungen dem Luminanzkanal zugeordnet. Das bedeutet, dass der Rotanteil insgesamt – nicht nur im Nebel – stärker ist als bei einer (L)RGB-Aufnahme. Einen schönen Dank an den Autor und die Gratulation zum Astrofoto der Woche.

 

Peter Riepe
Bildautor: Hans Bernd Dörfeldt

 

Koordinaten J2000.0:
RA = 06 h 16 min 41,5 s, DE = +22° 32' 02"

 

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