22. Woche - Dobashi 6808/6811 - eine kaum bekannte Dunkelwolke im Skorpion

Bildautor: Eduard von Bergen
Etwa 2,3° westsüdwestlich des bekannten Emissionsnebels IC 4628 liegt eine Dunkelwolke, die aber bisher als mögliches Einzelmotiv kaum ins Bewusstsein der Astrofotografen gelangt ist. Diese Wolke hat ca. 38' Länge und 6' Breite. Eduard von Bergen hat ihren östlichen Hauptbereich bereits im Juni 2011 und August 2014 mit dem 400-mm-Hypergraphen von Bernd Schröter aufgenommen. Das Teleskop mit f = 3200 mm befindet sich noch heute (unter anderem Besitz) auf der Farm Tivoli in Namibia. Das AdW zeigt ein Bildfeld von 36,1' x 22,6'. Norden ist oben, wie auf astronomischen Aufnahmen üblich, Osten links. Verwendet wurde die Kamera SBIG STL-11000M mit den originalen Filtern und einem Schmalbandfilter für Hα + [NII] von Astronomik, 6 nm HWB. Belichtet wurde 24 x 20 min mit Hα + [NII], 13 x 10 min Luminanz und je 7 x 10 min für R, G und B. Das ergibt zusammen 13 h 40 min Gesamtbelichtungszeit, was für das Öffnungsverhältnis 1:8 heutzutage allerdings "normal" sein dürfte. Aus den RGB-Bildern wurde noch ein zusätzlicher Luminanzanteil gebildet und dem Bild zuaddiert. Jetzt sendet der Bildautor eine nachträgliche, informative Bearbeitung, die einige spannende Details offenbart.
Wie gewohnt, folgt jetzt eine Besprechung dessen, was das Bild zeigt. Die Dunkelwolke wurde von C.M. Dutra und E. Bica erstmals katalogisiert, das war 2002. Daher erklärt sich der etwas seltsam anmutende Objektname [DB2002b] G343.02+2.76. Die letzten Zahlenangaben hierbei sind die galaktischen Koordinaten (J2000.0). Allem überlagert ist die 9' x 7' große Molekülwolke PGCC G343.02+02.85 (PGCC = Planck Galactic Cold Clump). Das visuelle Licht wird laut Vizier in der Dunkelwolke um 2,42 mag geschwächt, das ist rund ein Faktor von 10. Im Jahre 2011 publizierte der Japaner K. Dobayashi seinen "Atlas and Catalog of Dark Clouds Based on the 2 Micron All Sky Survey" in Publ. Astron. Soc. Japan 63, S1-S362 (11/2011). Von daher trägt die Dunkelwolke auch die hier verwendeten Katalognamen Dobashi 6808/6811.
Schaut man sich den Innenbereich von Dobashi 6808/6811 genauer an, so bemerkt man zahlreiche blaue Reflexionsnebelchen. Einer der helleren ist GN 16.43.2 bei den Pixelkoordinaten (2183/1496). Er wird von dem Stern CD-41 10857 beleuchtet. Dieser blaue Stern ist vom Spektraltyp B4 mit V = 11,36 mag. An der östlichen Spitze von Dobashi 6808/6811 fällt der Stern HD 326006 auf. Er ist ebenfalls blau, vom Spektraltyp B2 und hat V = 10,22 mag. Um ihn herum erstreckt sich der Reflexionsnebel GN 16.43.7, der sogar die dunklen Wolkenränder erhellt.
Auffälligstes Merkmal des AdWs ist jedoch, dass Dobashi 6808/6811 außen ein typisches rotes Hα-Leuchten zeigt. Woher stammt diese Emission? Vorweg: in der Dunkelwolke gibt es - durch IR-Messungen festgestellt - einige junge stellare Objekte, aber das sind durchweg massearme Sternchen. Nichts deutet darauf hin, dass im Wolkeninneren ein leuchtkräftiger O-Stern verborgen ist. Der Verursacher der Emission verrät sich aber schnell, wenn man die dynamische Kontur der Dunkelwolke nach Osten über sich hinaus verlängert. Dort stößt man auf den jungen offenen Sternhaufen NGC 6231. Er beherbergt in seinem Zentrum einen 6 mag hellen Doppelstern, dessen Komponenten jeweils blaue Überriesen vom Spektraltyp O7 sind. Darüber hinaus stecken noch weitere O-Sterne in NGC 6231. Sie in ihrer Gesamtheit (!) verursachen das rote Hα-Leuchten um Dobashi 6808/6811. Die enorme UV-Energie dieses Doppelsterns und der anderen O-Sterne trifft auf die Molekülwolke bzw. Dunkelwolke und regt den enthaltenen neutralen Wasserstoff zur Emission an. Dieser Zusammenhang ist überzeugend erkennbar in einer wunderschönen Astroaufnahme, die auch auf der Farm Tivoli entstand. Dieses Bild ist im Internet zu finden unter: astrofotografia.eu/wp-content/uploads/2013/11/ngc6231hargb_m.jpg
Eine kleine Anmerkung zum Bild sei gestattet. Längere teleskopische Brennweiten wie die hier verwendete ermöglichen bei gutem Seeing die detaillierte Wiedergabe heller Ionisationskanten ("bright rims") in Emissionsnebeln. Diese Ionisationskanten sind üblicherweise unregelmäßig strukturiert und weisen zahlreiche Spitzen, Bögen, Zacken und Ausstülpungen auf. In diesem AdW sollte das prinzipiell genauso sein. Die Bildbearbeitung ist hier jedoch hinsichtlich der Rauschunterdrückung für meine Begriffe ein wenig zu weit gegangen, so dass die Rim-Ränder glattgebügelt werden. Offenbar ist für viele Astrofotografen der glatte, makellose Bildeindruck in Monitorgröße bei der Bildbearbeitung entscheidend, nicht aber der astronomisch relevante Detailreichtum. Außerdem darf ich an dieser Stelle vorsichtig anmerken, dass die Farbsättigung zwar immer dem persönlichen Geschmack unterliegt. Mein Rat geht jedoch dahin, dass sie stets im Rahmen bleiben sollte. Ziel einer Astroaufnahme ist es nicht, Blau und Rot sehr dominant wiederzugeben. Grün ist kein Störfaktor!
Der Bildautor wird diese Anmerkungen sicherlich sofort und richtig verstehen. Abgesehen davon ist das Motiv sehr informativ, gut gelungen und deshalb als AdW absolut berechtigt. Dank an den Bildautor und unsere Gratulation.
Peter Riepe
Koordinaten J2000.0:
RA = 16 h 46 min 10 s, DE = -41° 08' 48''
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