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24. Woche - NGC 3642 und UGC 6335, zwei Spiralgalaxien im Großen Bären

Fotografiert von: Markus Blauensteiner | | Astrofoto der Woche

Ein selten gezeigtes Himmelsfeld: Die Galaxien NGC 3642 und UGC 6335 im Sternbild Großer Bär. Das Gesichtsfeld beträgt 40' x 30', Norden liegt oben, Osten links. NGC 3642, die gößere der beiden Spiralen, ist bei einer Fluchtgeschwindigkeit von 1593 km/s rein rechnerisch 71 Mio. Lj entfernt. Mit dieser Galaxie des Typs SAbc zeigt uns der Bildautor ein höchst interessantes Objekt. Die Spiralstruktur ist dermaßen auffällig, dass man sofort vermutet: Hier muss eine gravitative Wechselwirkung im Gange sein. Halton Arp, der sich um verformte Galaxien verdient gemacht hat, nahm NGC 3642 nicht in seinen „Arp-Katalog“ auf. Sie wäre es jedoch wert gewesen.

Was fällt an dieser Galaxie auf? Der kleinere Innenbereich ist fein strukturiert mit dünnen, eng gewickelten Spiralarmen. Hingegen reichen ausgedehnte, diffuse und recht breite Arme weit in den Außenraum hinein. Der längste Spiralarm umläuft das Galaxienzentrum mehr als einen vollen Kreis, aus dem Bild ergibt sich 450°. In diesem riesigen Spiralarm lassen sich besonders im Osten sehr reichhaltige, blaue Sternentstehungsgebiete ausmachen. Mit ihrem scheinbaren Durchmesser von 6,6' wirkt NGC 3642 nicht gerade groß, aber das täuscht. Für die genannte Entfernung erreicht ihr wahrer Durchmesser bis in die schwachen Außenpartien ca. 136.000 Lj und macht sie damit um 36% größer als unsere Milchstraße. Dagegen ist UGC 6335 mit 2,3' entschieden kleiner. Ihre Fluchtgeschwindigkeit von 2906 km/ entspricht 130 Mio. Lj Entfernung, das ist fast doppelt so weit weg wie NGC 3642. UGC 6335 kommt damit auf einen wahren Durchmesservon 87.000 Lj – ein „normaler“ Wert für Spiralgalaxien.

Wer außer UGC 6335 kann nun die gewaltige Verformung der Spiralarme von NGC 3642 bewirken? Lädt man sich das AdW herunter und geht in die Details, so bemerkt man südöstlich bis südwestlich von NGC 3642 vier diffuse mögliche Begleitgalaxien. Bei den Pixelkoordinaten 328/1065 liegt die schwächste. Die hellste liegt bei den Pixelkoordinaten 527/1055 und hat 6' Abstand von NGC 3642. Sie trägt die unspektakuläre Bezeichnung SDSS J112235.67+585840.5. Ist sie der Verursacher für die diskutierte Wechselwirkung? Das erscheint ziemlich fragwürdig. Schauen wir uns die weitere südwestliche Umgebung von NGC 3642 an. Das geht sehr gut mit Hilfe von ALADIN, dem bekannten Sky Atlas. Die daraus herauskopierte Ansicht entstammt dem Sloan Digital Sky Survey (hier klicken). Zum unteren Bildrand hin erkennt man SDSS J112148.90+585429.0, eine diffuse LSB-Zwerggalaxie des Typs dSph. Im AdW liegt sie leider gerade außerhalb des Bildfeldes. Hier hätte – im Gegensatz zur Kommentierung von Frank Sackenheim – eine leichte Bildverschiebung nach Süden gereicht, es hätte gelohnt. Aber auch dieser auffällige Zwerg wird aufgrund seiner geringen Masse kaum die gravitativen Kräfte für die Armverformungen von NGC 3642 aufbringen. Sucht man in einem größeren Abstand nach massereichen Sternsystemen, so fällt 35' entfernt die Balkenspirale NGC 3610 auf (außerhalb beider Bilder). Ihr Abstand beträgt in Projektion nur 720.000 Lj – gut ein Drittel des Abstandes von der Milchstraße zur benachbarten Andromedagalaxie. Die Fluchtgeschwindigkeit von NGC 3610 (1785 km/s) lässt vermuten, dass sie ähnlich weit entfernt ist wie NGC 3642 und daher höchstwahrscheinlich für die Wechselwirkung verantwortlich ist.

Markus Blauensteiner hat dieses Bild bereits im Februar 2015 aufgenommen. Aufnahmeort war die Sternwarte Gahberg. Die Instrumentierung kennen wir inzwischen: Einen ASA Newton von 250 mm Öffnung und f = 1000 mm mit einer SBIG ST-2000XM für die Luminanzaufnahmen dazu parallel benutzt einen Lacerta Newton von 130 mm Öffnung und f = 650 mm für die RGB-Aufnahmen mit einer Starlight SXV-H9. Belichtet wurde wie folgt: Luminanz 48 x 10 min, RGB je 13 x 10 min. Insgesamt waren das also 14,5 Stunden. Das hat sich ausgezahlt, denn die lichtschwächsten Begleiter von NGC 3642 sind auf dem SDSS nur identifizierbar, wenn man vorher die Aufnahme von Markus Blauensteiner inspiziert hat.

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Die Aufnahme von Markus Blauensteiner zeigt uns, welche Zutaten für ein sehr gutes Astrofoto nötig sind. Ein dunkler Himmel, eine schnelle Optik, eine empfindliche CCD-Kamera, lange Belichtungszeiten, eine gute Kalibrierung mit Flat- und Darkframes, eine gute Farbkalibrierung und eine sehr gute Bildbearbeitung. Auf einige der Faktoren hat der Astrofotograf mehr Einfluss als auf andere. Die Astrofotografen aus Österreich haben da z. B. einen Standortvorteil, gibt es doch sehr viele Gegenden im alpinen Raum, die hervorragend für die Astrofotografie geeignet sind. Bei der Bildaufnahme werden die Weichen gestellt für die Qualität einer Aufnahme. Eine gut laufende Montierung und die regelmäßige Überprüfung des Fokus sind entscheidend für die Qualität der Rohdaten. Aber das Wichtigste überhaupt ist Geduld bei der Bildgewinnung. Erst die lange Belichtungszeit von insgesamt 14,5 h macht aus dieser Aufnahme einer relativ unspektakulären Szenerie einen Hingucker und ein Astrofoto erster Güte. Abgerundet wird das Ganze durch eine geschmackliche Bildbearbeitung. Die Farbsättigung z. B. ist hoch, aber nicht übertrieben. Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann könnte man über den Bildausschnitt sprechen. Die helleren Sterne am Rand, deren Spikes in die Aufnahme hinein ragen, lenken etwas von den Hauptobjekten ab. Auch hätte man die beiden Galaxien noch klarer auf die gedachte Diagonale setzen können. Aber das ist Kritik auf allerhöchstem Niveau. Markus Blauensteiner hat eine zeitlos schöne Aufnahme geschaffen. Dazu meine Gratulation.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

Koordinaten für NGC 3642 (J2000):

RA = 11 h 22 min 18 s, DEK = +59° 04´ 27´´

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