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25. Woche - Helle und dunkle Nebel im Sternbild Chamäleon

| Astrofoto der Woche

Heute ist es uns eine besondere Freude, wieder einmal ein von Fabian Neyer eingereichtes AdW vorzustellen. Es zeigt eine kleine Detailansicht aus dem extrem südlichen Sternbild Chamäleon (lat.: chamaeleon, astronomische Abkürzung: cha). Dieses unscheinbare Sternbild erstreckt sich im Rektaszensionsbereich von etwa 8 bis 14 h zwischen -76° und -83° Deklination. Es erstreckt sich unmittelbar nördlich des Sternbilds Octans, wo auch der südliche Himmelspol liegt. Das Bild entstand unter dem Himmel Namibias auf der Astrofarm Tivoli. Mit einem Apochromaten TEC110FL (Blende 5,6) und einer CCD-Kamera Moravian G3-16200M wurde wie folgt belichtet: 180 min (L), 100 min (R), 150 min (G) und 170 min (B), insgesamt also 10 Stunden. Das hier dargestellte Bildfeld misst 118' x 147'. Auch für die Aufnahmen südlicher Objekte herrscht die astronomische Konvention: Norden oben, Osten links. Verwendete Software: CCDAutoPilot, MaxIm DL, PixInsight und Photoshop CS6.

Was gibt es über die Objekte im AdW zu berichten? Erst einmal eine Klarstellung zum Motiv selbst: Die Sterne im Bild gehören der rund 460 Lj (Rydgren 1983) entfernten Assoziation (nicht Molekülwolke) Chamaeleon I an. Sie wiederum befindet sich am Rand der Molekülwolke Chamaeleon II. Als durchsichtige Gaswolke ist sie optisch im Bild nicht sichtbar, ihr Zentrum ist außerdem weit links außerhalb des Bildes, aber dafür sehen wir die vielen mit der Molekülwolke assoziierten galaktischen hellen und dunklen Nebel. Sie kommen nicht nur im hier dargestellten relativ kleinen AdW-Bildfeld vor, sondern erfüllen die gesamte Umgebung von Chamaeleon mit den angrenzenden Sternbildern Octans, Musca und Apus (siehe dazu das 27° ausgedehnte und kontrastverstärkte Zusatzbild aus dem Himmelsatlas Aladin, hier klicken). Das türkise Kreuzchen markiert das Zentrum der Molekülwolke Chamaeleon II, im gelb eingefassten Kreis befindet sich unser AdW-Bildfeld. Es zeigt sich eine Mischung aus faserigem, galaktischem Zirrus, schwachen Reflexionsnebeln und zahlreichen eingestreuten Dunkelwolken mit den unsichtbaren, überlagerten Molekülwolken.

Im AdW weisen die Nebel, die stark an die Nebel im nördlichen Sternbild Pegasus erinnern, drei Helligkeitsmaxima auf. In der Mitte des unteren Bildviertels liegt der blaue Reflexionsnebel Cederblad 111 (kurz Ced 111) um den Stern HD 97048. Dieser junge Stern vom Typ Herbig Ae/Be, ein junger Stern, besitzt den Spektraltyp A0V. Das an A0 angehängte "V" ist kein "Vau", sondern eine römische 5. Sie repräsentiert die Leuchtkraftklasse V (= fünf) für Hauptreihensterne wie die Sonne. Der 9-mag-Stern hat einen Farbindex B-V = -0,24 mag und erscheint völlig richtigerweise hier im Bild knallblau. Und diese Farbe wird vom Nebel reflektiert. Ced 111 ist auch unter der Bezeichnung Bran 341B bekannt. "Bran" geht zurück auf Brand, Blitz und Wouterloot (Astronomy & Astrophys. Suppl. Ser. 65, 537-550, 1986). Man erkennt sehr schön, dass dieser Nebel nur der hellste, vom Stern blau erleuchtete und filamentreiche Zentralteil eines viel ausgedehnteren gelblichen Nebelfeldes ist.

Etwa 15' bis 18' westlich von Ced 111 sticht ein verworrener Dunkelwolkenkomplex ins Auge: [DB2002b] G297.10-16.08, benannt nach C.M. Dutra und E. Bica. Sie veröffentlichten 2002 ihre Arbeit "A catalogue of dust clouds in the Galaxy" in Astronomy & Astrophysics 383, p. 631-635.

Rund 5' südsüdöstlich von Ced 111 liegt ein V-förmiges Nebelchen quer im Bild. Es handelt sich um den "Chamaeleon IR Nebula". Es wurde 1983 von Schwartz und Henize entdeckt. Zoomen wir jetzt ins AdW hinein (dazu bitte unten das Original herunterladen). Bei den Pixelkoordinaten (720/1546) wird an der V-Spitze ein Sternchen sichtbar. Damals war hier mit den konventionellen fotografischen Emulsionen noch nichts weiter auszumachen. Jedoch zeigten Infrarotbeobachtungen bereits an der Westspitze des Nebels die IR-Quelle IRAS 11072-7727. Heute wissen wir: Dies ist ein ein T-Tauri-Stern des Spektraltyps M5.5. Und dieser erzeugt offensichtlich einen nach Osten gerichtetetn Nebel, der an Hubble´s Variablen Nebel im Monoceros erinnert. Cohen und Schwartz berichten über "The geometry of 'The Infrared Nebula' in CHA-I" (Astronom. Journal 89, 277-279, 1984) und geben an, dass der Nebel eine bikonische Form aufweist. Der eingebettete T-Tauri-Stern verfügt über etwa 14 Sonnenleuchtkräfte und verursacht das Leuchten des Nebels. Hier im AdW fällt der östliche Nebelkonus sehr deutlich auf, der westliche rechts des T-Tauri-Sterns ist sehr schwach angedeutet, weil vermutlich ein Staubring um den Stern die Aufhellung dieses Nebelbereichs verhindert. Über eine Veränderlichkeit des "Chamaeleon IR Nebula" war leider nichts weiter herauszufinden.

Etwa 9' nordwestlich von Ced 111 erkennt man bei (832/1397) ein kleines, aber strukturiertes Herbig-Haro-Objekt, HH 50. Solche HH-Objekte zeigen stets an, dass sich in ihrem Inneren neue Sterne gebildet haben mit eben einem solchen Materieausfluss. Typische Färbung der HH-Objekte ist stets ein schmutziges Rot, das auf verschiedene Emissionslinien zurückzuführen ist.

Weiter nach Norden erscheint ein geschwungener, orangegelber Nebel namens Ced 110. Er erstreckt sich um den T-Tauri-Stern bei (816/1240). Auffällig ist die riesige Dunkelwolke nördlich bis östlich davon, Dobashi 5849. Vergeblich sucht man im AdW nach Sternen, die durch diese Schwärze hindurch scheinen.

Ced 112 ist der blaue Reflexionsnebel in der Mitte des oberen Bildviertels. Er wird erleuchtet durch HD 97300, einen 9,41 mag hellen Stern des Typs Herbig Ae/Be mit Spektraltyp B9. In seinem oberen, etwas rötlicheren Nebelbereich ist bei den Pixelkoordinaten (619/602) ein winziger Kreis direkt an einem Sternchen zu sehen: das Herbig-Haro-Objekt HH 915 am Veränderlichen WW Chamaeleonis. Unmittelbar am Nordrand von Ced 112 grenzt die kleine Dunkelwolke Dobashi 5846 an.

Und noch ein Objekt fällt im Sternfeld auf: Die Spiralgalaxie NGC 3620 bei (312/314). Sie misst bis in die Außenpartien des deutlich abgebildeten Halos 4,9' x 2,2'. Damit ist sie viel größer als optisch in Simbad angegeben mit 3,09' x 0,85'. Aber so etwas wundert inzwischen ja überhaupt nicht mehr. Würden die fortgeschrittenen Amateure ihre tiefen Bildergebnisse den Profis vorlegen, so müssten zig-Tausende von Galaxien in ihren optischen Ausdehnungen korrigiert werden, und zwar nach größeren Werten hin. Die Entfernung der Galaxie liegt bei rund 74 Mio. Lj (NASA Extragalactic Database).

Anmerkungen: Die technische Ausführung dieses Bildes bedarf wohl kaum einer Verbesserung, weder was die Flats und Darks betrifft, als auch nachträgliche kritische Bearbeitungen wie das Entrauschen. Die Farbwerte der Sterne sind bei einer gelungenen LRGB-Darstellung korrekt getroffen und in der gewählten Farbsättigung nicht übertrieben. Ein weiterer Punkt: Fabian Neyer gibt einen FWHM-Wert von 3,4 arcsec an. Für den Leser: Das ist – entgegen der landläufigen Auffassung – keine Angabe zum Seeing während der Aufnahmen, auch keine Angabe für die beste Qualität der Sternscheibchen im Einzelbild, sondern die Angabe des Sternscheibchendurchmessers auf halber Intensitätshöhe im Summenbild (full width at half maximum). Schließlich verändert sich durch optische und mechanische Einwirkungen während der Aufnahmen auch der Einfluss auf die Größe des Sternscheibchens selbst, und darüber hinaus wird ein gestacktes Summenbild gegenüber einem Einzelbild nochmals verändert. Der FWHM-Wert muss sich also immer auf das Sternscheibchen im unbehandelten (d.h. ungestreckten) Summenbild beziehen.

Wir danken dem Bildautor für das gelungene Bild und gratulieren zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Fabian Neyer

 

Koordinaten (J2000) der Bildmitte:
RA = 11 h 06 min 18 s, DE = -77° 05' 24''

 

 

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