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27. Woche - Besuch am Golf von Mexiko

Fotografiert von: Manfred Fischer | | Astrofoto der Woche

Das heutige AdW entführt uns nach Nordamerika - aber ins Sternbild Cygnus. In einem Bildfeld von 83,7' x 62,2' sehen wir einen Teil des Nordamerika-Nebels, und zwar den Bereich zwischen Mexiko und Florida. Norden liegt rechts, Osten oben. Der „Golf von Mexiko“ und der nach Westen anschließende „Atlantik“ bilden eine dunkle Trennungswolke, die den Nordamerika- vom Pelikan-Nebel trennt. Sie trägt die Bezeichnung LDN 935 aus dem Dunkelnebelkatalog von Berverly T. Lynds. Nordamerikanebel NGC 7000 und Pelikannebel IC 5070 sind aber nur auf optischen Aufnahmen separate Emissionsnebel. In Wirklichkeit repäsentieren sie den östlichen bzw. westlichen Teil einer riesigen, zusammenhängenden HII-Region. Sie wurde 1958 radioastronomisch gefunden und fand als W80 Eingang in den Westerhout-Katalog.

LDN 935 verdeckt nicht nur den vermutlich hellsten Bereich von W80, sondern verschleiert gleichzeitig auch die zentrale, ionisierende Quelle des gesamten Nebekomplexes. Diese Quelle wurde erst 2005 als solche erkannt. Es handelt sich um den Infrarotstern mit dem Katalognamen 2MASS J205551.25+435224.6 südwestlich von „Floridas Küste“. Er ist nur 13,2 mag hell und wird durch 9,6 mag Absorption sehr stark geschwächt und gerötet. Aber durch sein Spektrum verrät er sich als ein massereicher, heißer und junger Stern des Typs O5V (F. Comeron, A. Pasquali (2005), Astronom. & Astrophys. 430, 541-548). Im AdW ist dieser Stern leicht zu sehen, gelborange in der Farbe bei den Pixelkoordinaten 2281/1855.

Die 2000 Lj entfernte HII-Region aus Nordamerika- und Pelikan-Nebel wird von einem komplexen, expandierenden Netzwerk aus Molekülwolken umringt (Bally & Scoville, Astrophys. J. 239, 121-136 (1980)). Eine davon sehen wir oben im Bild in „West-Mexiko“ in oranger Farbe verlaufen. Hier prallt die starke, energiereiche UV-Strahlung des zentralen O5-Sterns auf das Material der Molekülwolke. Der Stoßprozess (engl. shock) formt auf diese Weise eine verbogene, hell leuchtende Stoßfront („bright rim“). Dabei werden die gasförmigen Anteile der Molekülwolke ionisiert und leuchten hell auf, insbesondere im Hα-Licht. Im Laufe der Zeit wird die Molekülwolke allmählich zerfetzt. Dieser Vorgang schreitet also mit langsamer Expansion fort.

Das Bild ist eine Falschfarbenvariante. Sie zeigt uns die differenzierten Farben der Nebel und demonstriert darüber hinaus sehr schön die Vielfalt der Dunkelmaterie. LDN 935 beherbergt im Inneren und am Rand des Golfs von Mexiko noch schwärzere Wolken mit teilweise chaotischer Struktur! Manfred Fischer ist Autor dieses interessanten Bildes. Die Aufnahmen dazu entstanden zwischen August und Oktober 2016 in mehreren Nächten in Zwerndorf, Österreich. Teleskop war ein ASA N8 OKZ (D = 200 mm, f = 760 mm) auf einer Montierung vom Typ ASA DDM60. Die Kamera war eine Atik 383L+ Atik mit 7-fachem Filterrad. Als Filter kamen zum Einsatz: Baader LRGB, dazu ein Hα-Filter (HWB = 7 nm), ein [OIII]-Filter (HWB = 8,5 nm) sowie ein [SII]-Filter (HWB = 8 nm). Die Aufnahmen entstanden ohne Guiding. Belichtet wurde 14 x 10 min (R), 17 x 10 min (G), 17 x 10 min (B) sowie 13 x 15 min (B), in Hα 12 x 10 min plus 17 x 15 min, in [OIII] 27 x 15 min, in [SII] 19 x 15 min. Dazu kamen dann noch 28 x 10 min in Luminanz. Ein Marathon von insgesamt 33 h 40 min!!! Projektteam der Bildbearbeitung: PixInsight Österreich & Burgenländische Amateuerastronomen.

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

Die Serie beachtlicher Aufnahmen beim AdW reißt nicht ab, und so haben wir es erneut mit einem erstklassigen Ergebnis zu tun. Und auch dieses Bild erreicht uns aus Österreich. Manfred Fischer hat die Aufnahme aus Zwerndorf (nahe der slowakischen Grenze) aufgenommen. Beachtlich daran ist, dass hier insgesamt sieben verschiedene Farbfilter in Kombination mit einer monochromen CCD-Kamera zum Einsatz kamen. Die gewöhnlichen, breitbandigen LRGB-Filter und zusätzlich Schmalbandfilter für Hα, [OIII] und [SII]. Viele Astrofotografen erstellen daraus Bilder gemäß der Hubble Palette, und benutzen dabei die RGB-Filter lediglich dazu, um daraus realistisch aussehende Sternfarben zu erstellen, die später in das fertige Bild eingeblendet werden. Vieles deutet aber in dieser Aufnahme darauf hin, dass die RGB- und luminanzgefilterten Aufnahmen insgesamt ins Bild eingeflossen sind. Und einiges spricht dafür, genau dies zu tun. Die Breitbandfilter schließen die Lücken im Spektrum, die logischerweise zwischen den Schmalbandfiltern vorhanden sind. Außerdem lässt sich aus der Summe aller Aufnahmen eine Luminanzaufnahme erstellen, die über ein sehr gutes Signal- zu Rauschverhältnis verfügt. Gedankt wird einem dies mit natürlich aussehenden Sternfarben ohne die für Schmalbandaufnahmen typischen Halos, sowie einer extrem guten Tiefe der Aufnahme. So lassen sich aber auch Reflexionsnebel sehr gut darstellen, wie man an dem kleinen Exemplar im „Golf von Mexiko“ sehr schön erkennen kann.

Bei genauer Betrachtung fallen allerdings auch zwei Dinge auf, über die man zumindest einmal reden kann. Zum einen erscheinen viele der kleinen Sterne bereits kastenförmig. Den Details nach zu urteilen wurde im Bild mindestens eine Deconvolution, und evtl. noch Schärfungsmaßnahmen vorgenommen. Was den Details sehr gut getan hat, war bei den Sternen ein klein wenig zuviel des Guten. Außerdem bemerkt man in den dunklen Bildteilen ein Farbmuster, welches auf den Blaukanal zurückzuführen zu sein scheint. Spaltet man das Bild in seine Farbkanäle auf, fällt sofort auf, dass der Grünkanal perfekt ausschaut, Rot-, aber am meisten der Blaukanal merkwürdig verrauscht ausschauen. Jetzt ist das allerdings auch nichts Ungewöhnliches, vor allem dann, wenn Schmalbandfilter im Spiel sind. Jedem Astrofotografen, der schon einmal eine [SII]- oder [OIII]-gefilterte Aufnahme erstellt hat, dürfte diese Problematik bekannt sein. Diese kleine Kritik täuscht aber nicht darüber hinweg, dass wir es hier mit einer beachtlichen Aufnahme zu tun haben. Nicht nur was die Vorgehensweise mit den sieben Filtern angeht, sondern auch die anschließende, sehr gelungene Bildbearbeitung. Die wurde übrigens von einer ganzen Gruppe gemacht. Zum einen von der PixInsight-Gruppe Österreich und zum anderen von den Burgenländischen Amateursatronomen.

Gerne wäre ich (was leider organisatorisch nicht gelang) mit den Bildautoren in den Dialog getreten, um die genauen Details zum Bild zu erfahren. Sicherlich wäre das auch für den ein oder anderen Leser des AdWs interessant. Das heutige Bild ist vielleicht für einige Astrofotografen eine Inspiration, einmal die Sechs- oder Sieben-Filter-Farbmethode auszuprobieren.

Wir gratulieren den Bildautoren zum AdW.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

Koordinaten des anregenden Sterns von W80 (J2000):

RA = 20 h 55 min 51 s, DE = +43° 52´ 25´´

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