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29. Woche - Die NGC 5364-Gruppe im Sternbild Virgo

| Astrofoto der Woche

Das heutige AdW-Motiv zeigt das Zentrum einer kleinen Galaxiengruppe im östlichen Teil des Sternbilds Jungfrau (Virgo), etwa 20 Grad östlich des Virgo-Haufens gelegen. In der Astronomie ist sie als „NGC 5364-Gruppe“ bekannt. Aufnahmedatum war der 29.03.2019, Aufnahmeort Verclause in Frankreich. Als Teleskop wurde ein Lacerta 250-mm-Newton mit f = 1000 mm verwendet, dazu eine Kamera des Typs Starlight Xpress Trius 694. Die Belichtungszeit betrug 33 x 10 min für die Luminanz und je 12 x 10 min für RGB, insgesamt also 11,5 h. Alles läuft remote auf der bewährten Montierung 10micron GM2000HPS II. Das Bildfeld von 39,5' x 31,5' zeigt Norden oben und Osten links.

Zum Bildautor einmal etwas ausführlicher: Markus Blauensteiner ist uns hier auf Astronomie.de bereits seit vielen Jahren als Astrofotograf aus Oberösterreich bekannt. Er ist Mitglied der VdS-Fachgruppe Astrofotografie und der zugehörigen TBG-Gruppe. Seine „astronomischen Wurzeln“ liegen in der Sternwarte Gahberg, die 860 m hoch über dem schönen Attersee vom Astronomischen Arbeitskreis Salzkammergut betrieben wird.

Zum Objekt: Die NGC 5364-Gruppe umfasst eine Handvoll Einzelgalaxien. Hier im AdW sind als wichtigste Vertreter NGC 5364 im unteren Drittel der Bildmitte und NGC 5363 im oberen Drittel der Bildmitte zu sehen. Dazu kommen einige kleinere Galaxien (auch Zwerge), die nachfolgend beschrieben werden. Außerhalb des Bildfeldes befinden sich westlich noch NGC5338 und NGC5348, beide gehören der NGC 5364-Gruppe an.

NGC 5363 und 5364 bilden ein Paar mit etwa 14,4' Distanz. Die Radialgeschwindigkeiten betragen 1129 km/s (NGC 5363) und 1239 km/s (NGC 5364). Diese eng beieinander liegenden Werte zeigen bereits, dass auch diese Galaxien dicht zusammenstehen. Ihre Entfernungen betragen 64 Mio. Lj respektive 60 Mio. Lj mit einem Fehler von rund ±20%. Der Galaxientypus ist für NGC 5364 nicht ganz simpel. Krienke and Hodge (1974) beschreiben NGC 5363 als S0-Galaxie mit ungewöhnlich hohem Staubanteil. Andere nennen die Typen E (elliptische Galaxie) oder IRR II (irregulärer Typ). Der scheinbare Durchmesser von NGC 5363 wird in verschiedenen Quellen sehr unterschiedlich beziffert. Wir werden gleich sehen, woran das liegt.

Um das Astrofoto in seiner erreichten Tiefe besser beurteilen zu können, schauen wir uns jetzt das Zusatzbild an. Es zeigt eine in Kontrast und Helligkeit hochgezogene Version. Darin sind die Namen der bekannten Galaxien gelb eingetragen. Um NGC 5363 erkennt man einen sehr diffusen Halo, der nach Osten und Westen leicht spitz zuläuft. Diese Form von NGC 5363 wurde schon von drei Bochumer Astronomen erkannt und 2011 publiziert [A. Miskolczi, D.J. Bomans, R.-J. Dettmar: Tidal streams around galaxies in the SDSS DR7 archive. I. First results; Astronom. &Astrophys. 536A, 66 (2011)]. Insgesamt 41 Galaxien wurden mittels SDSS 7 ausgewertet und als Muster für Sternströme präsentiert. Das Bild hier von Markus Blauensteiner ist ungleich tiefer und zeigt eine strukturierte Halo-Form. Ob der Halo aber tatsächlich auch hinter dem Stern HD 121605 verläuft, bleibt wegen des Überstrahlungseffekts ungewiss. Und genau hier liegt auch ein Problem für die Bestimmung des Galaxiendurchmessers: Wo soll man bei aller Weichheit der Konturen die Grenzen von NGC 5363 festlegen?

NGC 5364 ist eine wunderschöne Spirale des Typs SAbc. Man sieht sofort, dass beide großen Arme nach außen hin sehr diffus werden. Der nördliche Arm zeigt in Richtung NGC 5363 zugewendet viele Sternentstehungsgebiete. Schaut man genauer das kontrastverstärkte Bild an, so deutet sich an, dass der prägnante nördliche Spiralarm eine extrem schwache Fortsetzung nach Süden hin aufweist (rote Pfeile). Der scheinbare Durchmesser von NGC 5364 lässt sich im Bild sehr schön zu 6,4' ausmessen. Das entspricht einem wahren Durchmesser von 112.000 Lj. Nimmt man noch den schwachen südlichen Armausläufer hinzu, so kommt man auf 8,6' bzw. 150.000 Lj.

Zu den weiteren Mitgliedern der NGC 5364-Gruppe. In der östlichen Bildmitte befindet sich LEDA 49602. Mit 1516 km/s gehört diese Zwerggalaxie des Typs dEn (dwarf elliptical nucleated, deutsch: elliptischer Zwerg mit Nucleus/Kern) höchstwahrscheinlich zur NGC 5364-Gruppe. Etwa 7,3' westlich von NGC 5364 liegt NGC 5360. Ihre Radialgeschwindigkeit von 1173 km/s beweist: es handelt sich um eine Begleitgalaxie. Im kontrastverstärkten Bild deuten sich zwei lichtschwache Warps an. An diesen „Hutkrempen“ zeigt sich, dass NGC 5356 durch Gezeitenkräfte verformt wurde. Am rechten Rand in der Bildmitte liegt LEDA 1277985. Mit einer Radialgeschwindigkeit von 1394 km/s und dem Morphologie-Typus dEn handelt es sich um ein weiteres Gruppenmitglied. Das Gleiche gilt für die etwas darüber stehende LEDA 1279452 mit 1395 km/s, Typus dI (dwarf irregular). Über GALEXMSC J135456.38+050329.0 direkt südwestlichlich von LEDA 1277985 ist außer ihrer automatisierten Katalognummer nichts bekannt. Vor der Diffusität her sollte es sich aber um einen Zwerg – also ein Gruppenmitglied – handeln.

Ungefähr 16' westnordwestlich von NGC 5363 befindet sich in der rechten oberen Bildecke die Sbc-Spirale NGC 5356. Anhand ihrer Radialgeschwindigkeit von 1373 km/s entpuppt auch sie sich als Mitglied der Galaxiengruppe. Das Objekt sieht nach einer schräg liegenden Zwerggalaxie aus. Simbad gibt keinen Galaxientyp an, während die NED den Morphologietyp I0 notiert.

Etwa 8,5' westlich NGC 5363 liegt ein extrem lichtschwaches kleines Objekt, welches selbst im SDSS (Sloan Digital Sky Survey) nur sehr schwach erscheint. Dieses rot umkreiste Objekt 1 ist diffus wie eine sphäroide Zwerggalaxie, einige punktförmige „Sternchen“ sitzen direkt vor dem Objekt. Nichts ist bekannt zu dieser möglichen neuen Begleitgalaxie von NGC 5363, außer dass es für die punktförmigen Objekte automatisierte SDSS-Katalognummern gibt. Und noch ein möglicher neuer Zwerg ist zu nennen: Er liegt rot umkreist als Objekt 2 im Halo von NGC 5363. Auch hier findet sich nichts in den Datenbanken und auch nicht in der Literatur.

Einige Sterne sind mit im Zusatzbild bezeichnet. Wen es interessiert: Der Doppelstern HD 121605 hat den Spektraltyp F5 und einen Farbindex B-V = 0,51 mag. Die leicht bläuliche Farbe stimmt also. TYC 315-484-1 ist gelb, was durch den Farbindex B-V = 1,21 mag belegt wird. Und ein letztes Beispiel: TYC 315-276-1 bei den Pixelkoordinaten (800/106) ist ein idealer Stern für die Überprüfung der Farbkalibrierung. Der Farbindex B-V = 0,63 mag bedeutet schlichtweg „weiß“.

Anmerkungen: Die Qualität der Aufnahme steht hier außerhalb jeglicher Diskussion. Die Farbe der Sterne stimmt mit den astrophysikalischen Fakten überein. Die Tiefe ist beachtlich und führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu den im Text genannten möglichen neuen Begleitern. Eine großartige Leistung von Markus Blauensteiner! Davon ab gratulieren wir dem Bildautor herzlich zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Markus Blauensteiner

 

Koordinaten (J2000) der Bildmitte:
RA = 13 h 56 min 07 s, DE = +05° 07' 31''

 

 

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