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3. Woche - NGC 1097 – eine ungewöhnliche Spiralgalaxie am Südhimmel

| Astrofoto der Woche

Mit dem heutigen AdW geht’s ins südliche Sternbild Fornax. Die Schweizer Astrofotografen Eduard von Bergen und Hansjörg Wälchli haben das Bild bereits im August 2014 auf der Farm Tivoli in Namibia aufgenommen. Das Teleskop war ein 16-Zoll-Hypergraph f/8,3 von Astrooptik Keller, dazu kam als Kamera eine SBIG STL-11000M. Belichtet wurde 38 x 10 min (Luminanz) sowie 5 x10 min (je Farbe) in RGB, wobei die Farbbilder im 2x2-Binningmodus aufgenommen wurden. Das Bild erscheint jetzt erst – das sind fast 5 Jahre später – weil die Bildbearbeitung bis dato als kritisch angesehen wurde. Deshalb half Astrokollege Christoph Oehler unter anderem bei den RAW-Files. Als Bildbearbeitungssoftware wurde PixInsight eingesetzt. Das Bildfeld beträgt 25,8' x 19,9' bei einem einem Abbildungsmaßstab  von 0,55 arcsec/px. Auch wenn es sich um ein Objekt des Südhimmels handelt: In der Astronomie ist es üblich, dass das Bild so gedreht wird, dass Norden oben und Osten links ist.

NGC 1097 (Arp 77) ist eine Balkenspirale, der genaue Typus ist SB(s)b. Die Radialgeschwindigkeit beträgt laut Nasa Extragalactic Database 1271 km/s. Unabhängig von der Rotverschiebung geben Tully et al. (2016) eine Entfernung von 15,4 Mpc an – also rund 50 Millionen Lichtjahre. Im AdW selbst lässt sich ein Galaxiendurchmesser von 12' messen. So ergibt sich ein wahrer Durchmesser von gut 175.000 Lichtjahren – riesig! NGC 1097 weist zwei markante Arme des Typs "Grand Design" auf, die jeweils am nordwestlichen und südöstlichen Balkenende ansetzen. Die Arme sind durchsetzt von vielen jungen, blauen Sternentstehungsgebieten. Dabei ist der von Süden über Westen nach Norden verlaufende Spiralarm an seinem Ende zerfleddert (im Fachenglisch der Astronomen nennt man das "distorted"). Dies dürfte auch der Grund dafür sein, warum Halton Arp NGC 1097 als Nr. 77 in seinen Katalog der Pekuliären Galaxien aufgenommen hat. Als Ursache für dieses Phänomen wird die kleine, aber helle Galaxie NGC 1097A angesehen, die sich bei den Pixelkoordinaten (1616/987) befindet. Sie ist vom Typ E(pec) und misst etwa 60", was einem wahren Durchmesser von 14.500 Lichtjahren entspricht. Dass NGC 1097A ein echter Begleiter von NGC 1097 ist, zeigt sich an ihrer Radialgeschwindigkeit, die mit 1368 km/s dem Wert der Muttergalaxie sehr nahe kommt.

Interessant ist die Kernzone von NGC 1097. Hier entdeckt man im AdW einen deutlichen, hellen Ring. Er besteht aus Hunderten von ringförmig angeordneten Sternhaufen – das wurde mit dem Hubble Space Telescope herausgefunden. Direkt im Zentrum wurde auch ein Schwarzes Loch von 120 Mio. Sonnenmassen entdeckt (Lewis & Eracleous 2006).

Das Interessanteste an NGC 1097 sind jedoch die zarten Gebilde, die radial nach außen verlaufen. Drei solcher lichtschwachen Gebilde erkennt man im AdW. Um die Situation deutlicher zu erkennen, bitte das Zusatzbild anklicken, Dann zeigen sich zwei dieser radialen Strukturen im Nordosten, eine schwache im Süden. Was hat es damit auf sich? Eingefangene kleinere Galaxien hinterlassen stets Spuren in oder um die Muttergalaxie herum. Man nennt so etwas "Sternströme" oder auch "tidal streams" wegen ihres gravitativ bedingten Ursprungs. Die Streams gibt es in sehr vielen Scheibengalaxien, auch in unserer Milchstraße und in unserer Nachbargalaxie M 31. Man hat sie bisher in vielfältigen Erscheinungsformen beobachtet. Da gibt es einerseits große kreisähnliche Ströme wie z. B. den Sagittarius-Strom in unserer Milchstraße. Er ist der Überrest der vor Urzeiten eingefangenen und mittlerweile extrem in die Länge gezogenen Zwerggalaxie namens Sagittarius Dwarf. Weiterhin findet man innerhalb der Halos großer Galaxien eingefangene stellare Wolken extragalaktischen Ursprungs. Dann gibt es schalenartige, stellar aufgebaute Gebilde, z. B. um viele große elliptische Galaxien herum. Schließlich sind noch großräumige diffuse Strukturen im Außenraum der großen Scheibengalaxien bekannt, die als Reste bereits zerrupfter Zwerge übrig geblieben sind.

Eine sehr aufschlussreiche wissenschaftliche Arbeit muss hier unbedingt erwähnt werden. Autoren sind N. C. Amorisco, D. Martinez-Delgado und der bekannte österreichische Astrofoto-Kollege Johannes Schedler. Titel: "A Dwarf Galaxy’s Transformation and a Massive Galaxy’s Edge: Autopsy of Kill and Killer in NGC 1097". Die Arbeit erschien u.a. in arXiv:1504.03697v1 [astro-ph.GA] 14 Apr 2015. Johannes Schedler lieferte als Mitglied der Gruppe Chart 32 (Chile) ein vorzügliches Amateurbild von NGC 1097 … mit einem 80-cm-Teleskop. Die Berufsastronomen konnten in einem computermodellierten Testlauf die Entwicklung der eingefangenen Zwerggalaxie und der damit verbundenen Streams nachvollziehen. Eines vorweg: Nicht NGC 1097A war der Störenfried, sondern eine völlig unscheinbare Zwerggalaxie - im Zusatzbild ist sie gelb markiert und mit 1 bezeichnet, NGC 1097A trägt eine 2. Bei der Computersimulation des Einfangs wurden 12.500 Massenpunkte (als stellare Bestandteile) verwendet. Ergebnis: Vor rund 5,4 Milliarden Jahren war die in NGC 1097 einfallende Galaxie ein größerer Zwerg mit Scheibengestalt und rund 20 Milliarden Sonnenmassen (die Milchstraße hat ~200 Milliarden Sonnenmassen). Alle sichtbaren Sternströme sind Teile einer großen, zusammenhängenden Sternstromfigur, die einer Rosette ähnlich sieht. Allerdings ist unser AdW leider nicht weitwinkelig genug, um all diese Strukturen abzubilden. Der hellste Stream ist im Zusatzbild derjenige mit dem 90°-Knick, darin auch die bereits erwähnte vormals eingefallene Zwerggalaxie. Sie erscheint uns heute als Zwerg mit Kern. Die Astronomen reden von einem "nucleated dwarf". In den 5,4 Milliarden Jahren hat dieser Dwarf NGC 1097 dreimal umrundet und bei dem Durchgang durch den Halo von NGC 1097 mehr als zwei Größenordnungen (Faktor ~100) an Masse verloren. Der 90°-Knick kann erklärt werden aus den ursprünglichen Eigenschaften des Zwergs, etwa Rototion oder auch Drehimpuls.

Anmerkungen: Hier haben uns die drei Schweizer Freunde ein äußerst interessantes Astrofoto zur Verfügung gestellt. Damit zeigt sich: Auch Jahre nach der Aufnahme selbst können die Bilddateien noch einmal herangezogen werden, um eine neue und erfolgreiche Bearbeitung zu starten. Ein kleiner Schwachpunkt sei erwähnt: Der aufmerksame Betrachter wird besonders um die hellen Sterne herum unsymmetrische Aufhellungen erkennen. Sie sind die Folge eines wackeligen Blendenrohres, das während der ersten Aufnahmen unbemerkt im Strahlengang umfiel.

Wir bedanken uns herzlich für dieses informative und gefällige Motiv, und dazu unsere Gratulation zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Eduard von Bergen

 

Koordinaten der Bildmitte (J2000.0):
RA = 02 h 46 min 19 s, DE = -30° 16' 30''

 

 

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