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30. Woche - VV 30, das wechselwirkende Galaxienpaar NGC 4485 und 4490

Fotografiert von: Eckehard Alt | | Astrofoto der Woche

Das heutige AdW von Eckhard Alt zeigt uns in einem Bildfeld von 11,7' x 8,8' das wechselwirkende Galaxienpaar NGC 4485/90 im Sternbild Jagdhunde. Norden ist oben, Osten links. Das Bild entstand im Pfälzer Wald im Zeitraum 4.5., 5.5., 7.5., 8.5. und 9.5.2018. Teleskop war ein Ritchey-Chrétien-Reflektor mit 400 mm Öffnung und 2700 mm Brennweite. Als Kamera wurde eine SBIG ST-8E verwendet. Die Bildserie entstand mit 5 Breitbandfiltern, die den Wellenlängenbereich von 400 bis 700 nm abdecken – also kein übliches (L)RGB. Belichtet wurde insgesamt 13,6 Stunden.

NGC 4485/90 ist auch als Arp 269 bekannt. Aber schon in den 1960er Jahren und danach befasste sich der bekannte russische Astronom B.A. Vorontsov-Velyaminov mit solchen Galaxien, die uns äußere Anzeichen einer Wechselwirkung präsentieren. Der Arp-Katalog ist den meisten Amateuren bekannt, wer aber kennt auch „ The catalogue of interacting galaxies by Vorontsov-Velyaminov“? Hier sind 2014 wechselwirkende Galaxienpaare katalogisiert, NGC 4485/90 als VV 30.

VV30 ist etwa 8,6 Mpc entfernt, das sind ~28 Mio. Lichtjahre. Dieser Wert stammt aus einer neuen Arbeit von B. Nikiel-Wroczyński et al., Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 459, 683-694 (6/2016). Demnach sind die beiden Galaxien nur 9 kpc voneinander entfernt, d.h. nur 29.000 Lichtjahre. NGC 4485 ist die kleinere Galaxie im Paar. Der Typus dI (dwarf irregular) zeigt schon an, dass wir es mit einer Zwerggalaxiezu tun haben. Ihr scheinbarer Durchmesser von 2,4' sind dann 19.600 Lj wahrer Durchmesser. NGC 4490 ist mit 5,9' und 48.000 Lj schon sehr viel größer. Sie wird vom Typus her als Im/BCD angegeben (irregulärer Magellantyp bzw. blue compact dwarf = blauer kompakter Zwerg). Zwerg ist dabei relativ – immerhin ist NGC 4490 so groß wie M 33. Aber „blau“ ist richtig. Der Farbindex beträgt B-V = 0,43 mag (0,00 mag = himmelblau und 0,63 mag = weiß). Und wie die Große Magellansche Wolke besitzt auch NGC 4490 einen balkenähnlichen Hauptkörper mit Ansätzen von Spiralarmen.

Die Wechselwirkung zwischen NGC 4485 und NGC 4490 wird heute von den Astronomen wie folgt beschrieben: Bei einem nahen Vorübergang ist die gasreiche kleine NGC 4485 auf den Halo von NGC 4490 gestoßen. Bei dieser Kollision wurde von NGC 4485 der Gasanteil abgestreift (engl.: ram pressure stripping = Abstreifung durch Staudruck, siehe: M.S. Clemens et al. 2000, Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 312, 236-246) und NGC 4490 einverleibt. Diese Theorie wird durch folgende Fakten belegt: a) NGC 4490 und NGC 4485 stecken in einem riesigen, schweifähnlichen Gebilde aus neutralem Wasserstoff (hier klicken). Das Klickbild zeigt ein Radiobild aus der oben genannten Arbeit. NGC 4485/90 erscheint in roter Farbe (hohe Gasdichte). Nach Norden und Süden erstreckt sich der Wasserstoffschweif in gelber, grüner bis blauer Farbe (geringe Gasdichte). Dieses Gas ist nur radioastronomisch nachweisbar, optisch nicht. b) Sobald interstellares Gas kollidiert, kann Sternentstehung eingeleitet werden. Und die ist optisch nachweisbar. In der Tat sind kräftige HII-Regionen als Anzeiger der Sternentstehung sowohl über den gesamten Körper von NGC 4490 verteilt, als auch im Gebiet südlich von NGC 4485. Ihr Alter liegt etwa zwischen 4 und 10 Millionen Jahren, was astronomisch gesehen sehr jung bedeutet. c) Zwischen beiden Partnern gibt es eine Brücke aus neutralem Wasserstoff, und in dieser Brücke selbst liegen HII-Regionen, einige davon sehr schwach, aber im AdW deutlich erkennbar. Insgesamt gesehen werden NGC 4485 und NGC 4490 von einer lichtschwachen Hülle umgeben, die sowohl Gas, Staub und stellare Anteile enthält. Dieses Material wird von den Winden ständiger Supernovae allmählich nach außen getragen.

Text zum Objekt und Aufnahmedaten: Peter Riepe

 

Eckehard Alt hat uns schon des öfteren Bilder fürs AdW zur Verfügung gestellt. Seine Aufnahmen weisen immer einige Alleinstellungsmerkmale auf, so etwa die verwendete Filtertechnik als auch die verwendete Optik, auf beides wurde in der Vergangenheit bereits eingegangen. Beim hier gezeigten Bild möchte ich daher einmal die verwendete Kamera etwas in Szene setzen. Es handelt sich um eine ST-8E des US-amerikanischen Herstellers SBIG (Santa Barbara Instruments Group). SBIG erschien Ende der 1980er Jahre auf dem Markt und revolutionierte die Amateurastrofotografie. SBIG war lange Zeit praktisch konkurrenzlos und einige der Meilensteine der Firma sind die heute noch bekannten Kameras ST-10, STL-11000 sowie der Autoguider ST-4, der heute noch als Standard in vielen Teleskopsteuerungen verbaut ist. Die Besonderheit der ST-Serie (ST-6, 7, 8, 9 und 10) liegt darin, dass in diesen Kameras Kodak-Chips verwendet wurden, die nicht über ein Antibloominggate verfügen. Vorteile dieser Kameras sind die extrem hohe Quanteneffizienz und das lineare Verhalten der Kameras. Linear meint, dass ein Eingangssignal in einer linearen Funktion zum Ausgangssignal steht. Das ermöglicht überhaupt erst eine wissenschaftliche Anwendung wie etwa fotometrische Messungen. Daher waren (und sind) Non-Antiblooming-Kameras der Standard in Profisternwarten. Nachteil der Kameras sind die Blooming-Artefakte in Form von Fahnen, die besonders bei hellen Sternen auftreten und ein unverkennbares Muster hinterlassen. Für die Amateurastronomen wurden darum vermehrt Kameras mit Antibloominggate gebaut. Das geht so weit, dass heute niemand mehr darüber nachdenkt, ob er sich eine lineare oder nicht-lineare Kamera kauft. Kameras im Amateursektor sind heute fast selbstverständlich solche mit Antibloominggate.

Die Kodak-Chips der in der ST-Serie verbauten Kameras erhielten Verbesserungen und die Quanteneffizienz konnte weiter gesteigert werden, so dass Anfang der 2000er Jahre die Serie den Zusatz E erhielt und eine sagenhafte Quanteneffizienz von bis zu 90% aufwies. Flaggschiff der Serie war damals die ST-10XE, die lange Zeit unangefochten die Nummer eins in der Amateurszene war. SBIG wurde 2014 an die kanadische Firma Diffraction Limited verkauft und noch heute sind dort die Kameras mit den bekannten Kodak-Chips erhältlich unter der Serienbezeichnung ST-F. Stand heute sind die CMOS-Chips mit Back-Illuminated-Technologie auf dem Vormarsch (diese Technologie gab es übrigens auch schon vor Jahrzehnten, sie war nur völlig unbrauchbar für den Amateurmarkt) die nicht nur über eine hohe Quanteneffizienz (trotz Antiblooming Gate!) verfügen, sondern dazu noch ein herausragendes Ausleserauschen aufweisen (damals 15e- heute 2e- bis hin zu 1e-).

Natürlich kann man auch mit einer ST-8E noch hervorragende Aufnahmen machen, wie es Eckehard Alt hier beweist. Darüber hinaus sind diese Aufnahmen „fotometrisch belastbar“. Wir gratulieren Herrn Alt zu dieser Aufnahme und zum AdW.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

 

Koordinaten von NGC 4490 (J2000.0):
RA = 12 h 30 min 36 s, DEK = +41° 38' 37''

 

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Kontakt zum AdW-Team: fg-astrofotografie@vds-astro.de

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