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33. Woche - Neues aus dem System M 51

| Astrofoto der Woche

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Messier 51 ist ein allseits bekanntes Galaxienpaar, bestehend aus NGC 5194 (= M 51a) und der kleineren nördlich gelegenen Begleitgalaxie NGC 5195 (= M 51b). Messier 51 stellt ein Standardmotiv dar, sowohl für Astrofotografen als auch für visuelle Beobachter. Heute wird M 51 als Astrofoto der Woche gezeigt, aber beileibe nicht als Standardmotiv!!! Vielmehr folgt jetzt ein kleiner Trommelwirbel ..., denn unserem Bildautor Fabian Neyer ist es gelungen, ein für Amateure völlig neues Objekt im System M 51 abzubilden! Es handelt sich bei diesem Bild um die erste öffentlich gezeigte Anordnung von Emissionsnebeln im direkten Umfeld von M 51. Wir kommen darauf natürlich ausführlich zu sprechen. Zunächst einmal zu den technischen Aufnahmedaten: Teleskop war der bekannte Apochromat TEC 140 mit f/7,1. Dazu wurden im Verlauf der Aufnahmezeit zwei Kameras eingesetzt: eine CCD-Kamera Moravian G3-16200 sowie eine CMOS-Kamera Moravian C3-61000, alles auf einer Montierung des Typs AstroPhysics 900GoTo in Fabians Heimatsternwarte "Antares" in der Schweiz. Es wurden Astrodon-Filter eingesetzt und folgendermaßen belichtet: LHαRGB mit 26 / 86.5 / 9 / 11 / 14,3 Stunden. Und nun kann Fabian einen neuen Belichtungsrekord vermelden, nämlich insgesamt 146,8 Stunden! Eines soll hier unbedingt betont werden: Dies ist keine (!!!) Belichtungsjagd nach dem Motto "weiter, länger, protziger - schaut her, wie toll ich bin", sondern eine lange vorbereitete und sorgsam durchgeführte Arbeit, die ab Mai 2016 insgesamt 6 Jahre dauerte. Das Resultat wird sicherlich in einem Fachartikel publiziert, insofern hat sich die Mühe wirklich gelohnt. Das Bildfeld beträgt 61' x 76', wobei Norden oben und Osten links ist.

Jetzt Schritt für Schritt an die Details im Bild. NGC 5194 besitzt von 133 Galaxien der Milchstraßenumgebung die markanteste Spiralstruktur. Die Sterne in den Spiralarmen sind überwiegend blau, d.h. jung. Man darf überwältigt sein beim Anblick der zahllosen HII-Regionen, die sowohl in den Spiralarmen als auch an ihren Rändern überaus deutlich hervortreten. Woher erklärt sich dieses Erscheiunungsbild? Heute wissen wir, dass NGC 5195 vor etwa 200 Millionen Jahren einen nahen Vorübergang (Encounter) an NGC 5194 vollführt hat, vermutlich war es noch nicht einmal die erste Passage. Dabei erzeugte die Gravitation starke Wechselwirkungsphänomene. Astrophysiker stellten fest, dass erst dieser nahe Vorübergang von NGC 5195 eine innere Dichtewelle in NGC 5194 induziert hat. Dadurch wurde ihre überaus kräftige Spiralstruktur des Typs „grand design“ erzeugt (Tully, 1974). Ohne dieses Ereignis hätte NGC 5194 heute nicht das spektakuläre Aussehen, sondern wäre eher eine Sb-Spirale mit schlankeren und stärker gewundenen Armen. Vermutlich wird sich die Spiralstruktur von NGC 5194 aber mit zunehmender Entfernung des Störenfrieds NGC 5195 wieder „normalisieren“.

Schon kurz belichtete Aufnahmen zeigen, dass der östliche Spiralarm von NGC 5194 zum Begleiter NGC 5195 hinüberreicht und ihn teilweise überdeckt. Damit steht NGC 5195 also hinter NGC 5194. Auf dem langbelichteten AdW fallen zusätzlich die multiplen und recht komplex strukturierten Gezeitenschweife (engl.: tidal tails) auf, die bei dem Encounter aus dem System herausgezogen wurden. Es sollen jetzt nicht alle Schweife benannt und beschrieben werden, das wird jedem Leser sofort selbst gelingen. Doch kurz ein Hinweis auf den Verlauf der Forschungsarbeiten. Das System NGC 5194/95 wurde ab den siebziger Jahren systematisch untersucht. Zunächst beschrieben Burkhead und Honeycutt 1972, dass ein schwacher Ausläufer weit nach Westen gerichtet ist. Dazu nahmen Burkhead und Kalinowski 1974/75 neue Aufnahmen am „Big Schmidt“ auf, damals auf spektroskopischen Platten des Typs IIIa-J, die vor der Belichtung noch durch Backen in 65°C heißem Stickstoff hypersensibilisiert worden waren. Schließlich untersuchte Burkhead 1978 die Galaxienflächen und die schwachen Ausläufer nochmals mittels der damals neuen fotografischen Fotometrie. Das Gebiet um M 51 wurde mikrodensitometrisch gescannt und digitalisiert. Danach konnten die großräumigen Strukturen in Form kalibrierter Konturdarstellungen wiedergegeben werden. So ließ sich schon damals sehr gut beweisen, dass M 51 in Gezeitenschweife eingehüllt ist und dabei einen weit nach Nordwesten hinausragenden Fortsatz findet (Zusatzbild 1). Allerdings war das noch nicht in der Detailfülle und Feinheit, wie es im heutigen AdW erkennbar wird. Eine weitere wichtige Forschungsarbeit war die von A.E. Watkins, J.C. Mihos und P. Harding im Jahre 2015. Darin gab es noch zahlreiche Verfeinerungen zur gesamten Struktur der Gezeitenschweife.

Jetzt zu den neuen Emissionsnebeln. Unmittelbar nördlich von NGC 5195 entdeckt der Leser noch innerhalb der Gezeitenschweife ein paar rötliche Flecken. Und etwa 8' von NGC 5195 aus - ebenfalls nach Norden - werden noch mehr rote Nebel sichtbar. Man braucht jetzt gar nicht soviel Phantasie, um zu einer einfachen Deutung zu kommen: Der nach Nordwesten verlaufende Burkhead´sche Gezeitenschweif ist im wesentlichen doppelt, er knickt im Bereich (1435/1170) weiter doppelt verlaufend nach Norden ab, um sich dann bogenförmig nach Osten zu wenden. Dies ist auf dem AdW sehr schön zu sehen. Und die eben genannten roten Nebel könnten als Verlängerung dieser Gezeitenschweife angesehen werden. Aber handelt es sich bei den roten Nebeln tatsächlich um HII-Regionen? Aus radioastronomischen Messungen von Rots et al. (1990) ist schon lange bekannt, dass neutraler Wasserstoff HI sich in größeren Mengen bogenförmig um NGC 5194 windet. Gas für die HII-Regionen ist also sicherlich vorhanden. Es wurde vermutlich von NGC 5195 abgestreift, denn heute weiß man, dass in NGC 5195 keinerlei HII-Region existiert und somit ein Wasserstoffmangel vorliegt.

Im Zusatzbild 2 sind zwei Ansichten nebeneinander gestellt: links die LRGB-Aufnahme, rechts die LHαRGB-Aufnahme. Man sieht im Vergleich sehr schön, wie die neuen Emissionsnebel zur Geltung kommen!

Etwas zu den Abmessungen dieser neuen HII-Regionen. M 51 ist von der Milchstraße laut Feldmeier et al. (1997) rund 8,4 Mpc (27,4 Mio. Lj) entfernt. Die neuen HII-Regionen haben etwa 10' bis 13' Abstand vom Zentrum von NGC 5194 und erstrecken sich auf gut 10' Länge. Das wären dann (natürlich in Projektion) ca. 80-100.000 Lichtjahre Entfernung von NGC 5194 und 80.000 Lichtjahre Länge. Das Nebelgebiet ist diffus und zusammenhängend - morphologisch gesehen völlig untypisch für unsere galaktischen HII-Regionen. Dazu stellt sich auch noch die Frage: Wie können in dem Abstand außerhalb von NGC 5194 überhaupt HII-Regionen leuchten? Wer führt denn da die Ionisierungsenergie zu? Zunächst vermutet man, dass es sich um stellare Foto-Ionisation handeln sollte, also Anregung des Gases durch die Energie heißer junger Sterne. Aber die sucht man vergebens. Auch mit größeren Teleskopen wurden weder im Außenbereich der Nebel noch in den äußeren Gezeitenarmen irgendwelche Gebiete neuerlicher Sternentstehung gefunden - keine kontinuierlich strahlenden Sterngebiete bis hinab zu 30 mag pro Quadratbogensekunde. Es muss also einen anderen Anregungsmechanismus geben. Befragen wir dazu die Entdecker der roten Nebel.

Das waren wieder die Astronomen A.E. Watkins, J.C. Mihos, M. Bershady und P. Harding. Sie publizierten ihre Entdeckung 2018, also vor erst vier Jahren! Am Burrell-Schmidtspiegel hatten sie ausgedehnte diffuse Gebiete in Hα entdeckt und dann am WIYN-Teleskop noch in anderen Wellenlängen abgelichtet und untersucht. Sie entdeckten dazu einen hohen Anteil an [NII], [SII] und OI. Das lässt auf eine hochenergetischee Quelle schließen. So besteht bis jetzt die Vermutung, dass der Galaxienkern (AGN = active galactic nucleus) von M 51 selbst der Energielieferant sein müsse. Es bleibt also spannend in der Umgeebung von M 51.

Noch etwas objektmäßig nachgelegt. In der Bildecke rechts unten (Südwest) bemerkt man diffuse nicht emittierende Nebelschleier. Es handelt sich um den typischen Staub, der hoch über der galaktischen Ebene liegt und vom Licht unserer Milchstraße angeleuchtet wird - und reflektiert. Diese Reflexionsnebel sind ziemlich ähnlich und artverwandt mit dem galaktischen Zirrus, aber eben kein Zirrrus, weil die Filamentstruktur fehlt. Das Zusatzbild 3 zeigt diesen südwestlichen Abschnitt. Vier Galaxien sind mit gelber Schrift  markiert. Alle haben eines gemeinsam: eine sehr ähnliche Radialgeschwindigkeit. Das bedeutet: die vier Galaxien stehen ziemlich in einer Entfernung. Nach Hubble ergibt sich eine Distanz von 110 bis 115 Mio. Lichtjahren. Die Galaxien haben also nichts zu tun mit dem System M 51. Was noch auffällt, ist der mit gelben Pfeilen markierte neue Sternstrom. Im SDSS ist nichts davon zu sehen außer der kleine diffuse Fleck zwischen den Pfeilen. Möglicherweise stellt er eine Zwerggalaxie von NGC 5198 dar, die direkt auf dem Sternstrom liegt. Das heißt: Fabian Neyer hat eine deutlich geringere Flächen-Grenzhelligkeit erreicht als der SDSS. Während der SDSS auf rund 26,5 bis 27 mag pro Quadratbogensekunde kommt, schätze ich für Fabians Bild etwa 28 mag pro Quadratbogensekunde (Erfahrungswert aus meiner Arbeit mit dem SDSS).

Anmerkungen: Die Entdecker haben nicht nur in Hα+[NII] gefiltert, sondern auch im benachbarten Kontinuum. Die Profis verfahren generell beim Hα-Nachweis so, dass sie die Kontinuumsubtraktion vornehmen. Nur dann kann ein Rotsignal, mittels Filterung in Hα+[NII] aufgenommen, auch als echtes Hα bezeichnet werden.

Zur Bildbearbeitung und zum erreichten Ziel muss nichts mehr hinzugefügt werden. Fabian Neyer einen herzlichen Dank für dieses hervorragende "Meisterstück". Und dazu die Gratulation zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Fabian Neyer

 

Koordinaten von M 51 (J2000):
RA = 13 h 29 min 52,7 s, DEC = +47° 11' 43''

 

 

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