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34. Woche - Der Sichelnebel NGC 6888

Fotografiert von: Christoph Kaltseis | | Astrofoto der Woche

Der helle Wolf-Rayet-Nebel NGC 6888 in der Sternassoziation Cyg OB1 wurde letztmalig im AdW 51-2016 vorgestellt. Jetzt können wir wieder ein sehr gutes Bild dieses Objekts zeigen, Autor ist Christoph Kaltseis. Dem Leser sei der Vergleich beider Bilder einmal nahegelegt. Das aktuelle AdW zeigt ihn in einem 47,5' x 31,7 großen Gesichtsfeld. Im Original wurde das Hochformat gewählt, hier nun gedreht Norden links. Der Nebel ist auf der Südostseite als eine offene Ellipse zu sehen. Neben dem starken Rot für H α + [NII] kommen auch einige blaue Lichtanteile zart zur Geltung.

NGC 6888 wird auch „Sichelnebel“ genannt (gemäß der engl. Bezeichnung „crescent nebula“). Mir fällt dazu immer ein Song von Bruce Springsteen ein, mit der Textpassage „I saw the crescent of the moon“ - die Mondsichel. Von der Ballade jetzt zum Objekt selbst: Erzeugt wurde NGC 6888 als ausgestoßene Gashülle von dem ca. 4000 Lj entfernten Wolf-Rayet-Stern HD 192163. Dieser ist auch als WR 136 katalogisiert und steht ziemlich genau in der Nebelmitte. Bie Blauhelligkeit beträgt B = 7,49 mag und die visuelle Helligkeit V = 7,50 mag. Damit repräsentiert sein Farbindex B-V = -0,01 mag eine knallblaue Eigenfarbe, was im Bild recht realistisch zur Geltung kommt. Ganz anders verhält sich in der linken unteren Bildecke der Veränderliche RS Cygni, ein 6,5 mag heller Kohlenstoffstern. Solche Sterne gehören einer sehr alten Population an und bringen den Kohlenstoff aus den zentral ablaufenden Kernreaktionen an die Sternoberfläche. Die Blauhelligkeit von RS Cygni kommt nur auf 9,36 mag, so dass wir hier mit B-V = 2,86 mag einen sehr rötlichen Stern vor uns haben. Auch das ist im AdW deutlich wiedergegeben, was dann für eine ordentliche Farbkalibrierung spricht.

Christoph Kaltseis hat die Einzelaufnahmen zu diesem Astrofoto in Sarleinsbach (Oberösterreich) aufgenommen. Teleskop war ein PlaneWave CDK 14 F/7.2 mit 356 mm Öffnung und 2563 mm Brennweite. Mit einer DSLR des Typs Nikon D810A wurde 20 x 8 min bei ISO 800 belichtet. Das sind nur 2 Stunden und 40 Minuten bei dieser nicht sehr lichtstarken Blende. Dennoch ist das Bild recht tief, was offenbar kameratypisch sein dürfte. Auch im Bereich sehr lichtschwacher Zwerggalaxien hat der Bildautor mit dieser Kamera LSB-Zwerge bei relativ kurzer Belichtungszeit aufgenommen, die mit herkömmlichen Kameras – selbst CCD-Kameras – merklich länger belichtet werden mussten. Verwendete Software: PixInsight 1.8.5 und Adobe Photoshop CC2018. Interessant ist noch die folgende Anmerkung: „Das Seeing war bei einigen Bildern fein, dann wieder fallend, und es bleiben nur diese Einzelbilder übrig, wobei ich noch 5-6 aus dem Stack nehmen müsste, wenn ich es streng nähme.“ Da geht Christoph aber ziemlich hart mit sich selbst ins Gericht, von daher wäre es schon interessant zu erfahren, welchen FWHM-Wert er im Summenbild vor der nichtlinearen Bearbeitung erreicht hat.

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

 

Das AdW zeigt uns heute ein Bild, bei dem man mit der Zunge schnalzen kann! Nicht nur wegen der hervorragenden Qualität, sondern auch wegen der verwendeten Ausrüstung. Der hier gezeigte Sichelnebel wurde mit einem PlaneWave CDK 14 aufgenommen, einem ausgesprochenen Astrographen. Das Teleskopdesign weicht vom üblichen Ritchey-Chrétien (kurz RC) ab, die genaue Bezeichnung lautet „Modifiziertes Dall-Kirkham-Teleskop“. Besonderheit dieses Designs ist die Fähigkeit, ein besonders großes Feld eben auszuleuchten.

Desweiteren kam eine Montierung des Typs GM2000 HPSII des italienischen Herstellers 10Micron zum Einsatz. Der Autor schreibt uns, dass die Aufnahme ohne Autoguiding entstand, und das ist wirklich sehr gut, bei 2563 mm Brennweite und Einzelbelichtungszeiten von 7 Minuten! Möglich ist das, weil die verwendete Montierung über sogenannte Absolut-Encoder verfügt. Ein Encoder ist ein Bauteil zur Einhaltung exakt gleichförmiger Drehung und direkter optischer Kontrolle des Drehwinkels einer mechanischen Achse. Dadurch kann ein solcher Encoder die konstante Drehrate der Teleskopachse sehr präzise einhalten, auch wenn die Achse einmal schwergängiger wird. Bei einer hohen Anzahl an Teilstrichen pro Millimeter spricht man von hochauflösenden Encodern. Absolut bezieht sich dabei auf die Fähigkeit, die Position des Teleskops auch dann noch sicher zu ermitteln, wenn die Achsklemmung gelöst ist (vereinfacht ausgedrückt). Encoder (manchmal auch die Kombination verschiedener Encoder) sind also unter anderem dazu in der Lage, bei einer exakten Polaufstellung die Position eines Sterns auf dem Chip zu halten, ohne dass mit einem Autoguider Korrekturbefehle gegeben werden müssen.

Als dritte technische Komponente ist die verwendete Kamera zu nennen. Es handelt sich um die Nikon D810A, eine von Nikon hergestellte und für Astrofotografie optimierte Vollformat-DSLR. Sehr lange Zeit war Canon der Platzhirsch in Sachen Astrofotografie und hat als erster Kamerahersteller spezielle Kameras für die Astrofotografie gebaut. Darunter die Canon 20Da und die 60Da. Nikon hat mit der D810A eine Kamera herausgebracht, die keine Wünsche mehr offen lässt. Zwar profitiert Canon immer noch von dem jahrelangen guten Ruf, aber mittlerweile hat sich der Markt für Astrofotografen doch sehr erweitert. Wir werden sehen, was uns die Zukunft noch alles bringt.

Rechnet man nun alle Komponenten zusammen, die bei dieser Aufnahme benutzt wurden, kommt man auf eine Summe, für die man sich einen hochwertigen Mittelklassewagen kaufen kann. Daraus könnte man schnell den Schluss ziehen, dass man gute Astrofotos für Geld kaufen kann. Aber das ist mal wieder nur bedingt wahr, denn es kommen noch einige andere Faktoren hinzu. Christoph Kaltseis ist ein bekannter Astrofotograf (darüber hinaus Profifotograf), der über jahrelange Erfahrung verfügt. Darüber hinaus ist er mit einem besonders guten Wohnort gesegnet, der ihm im eigenen Garten beste Voraussetzungen für die Astrofotografie beschert. Letztendlich liegt es immer am Astrofotografen selber, wie gut die Ergebnisse werden, die er produziert. Aber genau wie sich Profihandwerker mit sehr gutem Werkzeug ausstatten, arbeiten ambitionierte Astrofotografen mit sehr guten Teleskopen, Kameras und Montierungen. Es ist das Zusammenspiel, das hier zu der besonders guten Aufnahme geführt hat. Dazu gratulieren wir Christoph Kaltseis, und natürlich auch zum AdW.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim
 

Koordinaten J2000.0:
RA = 20 h 12 min 06 s, DE = +38° 21´ 18´´

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