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4. Woche - Simeis 57 alias DWB 118 – ein Blick in die Region „Cygnus X“

| Astrofoto der Woche

Das Objekt für das AdW dieser Woche ist wegen seiner Form als „Propellernebel“ bekannt. Dieser Emissionsnebel ist auch als Simeis 57 oder als DWB 118 katalogisiert und liegt im Schwan. Der nördliche Propellerflügel trägt die Betzeichnung DWB 119, der südliche ist DBW 111. Thomas Wahl, Mitglied der Fachgruppe Astrofotografie, schickte uns diese Ansicht von DWB 118 gemäß der Hubble-Palette. Er nahm das Feld zwischen dem 07.-09.08.2020 in seiner Sternwarte im westfälischen Oer-Erkenschwick auf. Die Optik dazu war ein Takahashi Epsilon 160 F/3.3 mit 530 mm Brennweite. Mit der Kamera, einer ZWO ASI183MM Pro wurde bei -45° wie folgt belichtet: 32 x 10 min für Hα und je 16 x 20 min für [OIII] und [SII] (zu den Filtern folgt weiter unten noch eine Anmerkung). Das AdW zeigt ein Bildfeld von 85,0' x 56,2', wobei Norden oben und Osten unten liegt.

Jetzt zum astronomischen Teil. Der nördliche Schwan im Bereich um γ Cygni und nördlich davon bis zum Nordamerikanebel ist als Sternentstehungszone „Cygnus X“ bekannt. Genau hier beginnt auch das sogenannte „Great Rift“, das ist die lange Zone von dunklem Staub, die sich vom Schwan über Adler, Schlangenträger, Schütze, Skorpion, Norma und Wolf visuell sichtbar bis hin zu Alpha Centauri zieht. Das Great Rift liegt in der Milchstraßenebene und teilt den Milchstraßenverlauf bildlich in zwei etwa parallel verlaufende stellare Bereiche. Der Beginn des Great Rift im Schwan wird auch „Cygnus Rift“ genannt. Diese sehr dichte Dunkelwolke hat den Nordamerika- und den Pelikannebel auf der einen Seite, die Nebel um γ Cygni auf der anderen Seite. Das Cygnus Rift dazwischen ist dermaßen dicht, dass Absorptionen zwischen 2 bis 10 mag gemessen wurden! Verdeckt durch das Cygnus Rift befindet sich dahinter in etwa 0,7 bis 2,5 kpc (2300 bis ca. 8 Lj) Entfernung die Assoziation Cygnus OB2. Erforschungen dieser obstruierten Zone sind wegen der guten Staubdurchdringung insbesondere im Radiobereich erfolgreich verlaufen. Wie die Umgebung des Cygnus Rifts aussieht, zeigt das Zusatzbild 1, eine bearbeitete Version aus dem Himmelsatlas Aladin. Die chaotischen Formen der Dunkelwolken lassen bereits vermuten, was sich alles dahinter verbergen könnte. So wurden im Cygnus Rift nordöstlich von γ Cygni bereits zwei Wolf-Rayet-Sterne (WR 145 und WR 146) entdeckt, die optisch nur als „müde Funzeln“ in Erscheinung treten.

Die Astronomen H.R. Dickel, H.J. Wendker und J.H. Bieritz verfassten 1969 einen Fachartikel über ihre Untersuchungen von HII-Regionen im Sternentstehungsgebiet Cygnus X (siehe Astronomy and Astrophysics 1, 270-280). Sie katalogisierten zahlreiche Nebel in ihrem untersuchten Bereich, siehe Zusatzbild 2. Diese Nebel kennen wir deshalb als DWB-Nebel. Die drei Astronomen maßen auch die Entfernung dieser obstruierten HII-Regionen mittels radioastronomischer Daten. Für den überwiegenden Anteil ihrer DWB-Nebel bestimmten sie 1,2 bis 1,8 kpc als Distanz.

DWB 118, um den es hier geht, ist bereits viel früher als Simeis 57 bekannt geworden, und zwar in einer Reihe von Publikationen von V.F. Gase und G.A. Shajn, die zu Beginn der 1950er Jahre helle Nebel im Band der Milchstraße aufsuchten und als mehrteiligen Katalog der Simeis-Sternwarte auf der Krim veröffentlichten. Egal, ob DWB 118 oder Simeis 57 – das AdW zeigt eindeutig, dass der Nebel nur deshalb optisch hervortritt, weil an dieser Stelle eine „Sichtbarkeitslücke“ liegt, und zwar zwischen dichten Staubwolken links und rechts davon. Auch die Form von DWB 119 und DWB 111 scheint eher durch den Staubverlauf geprägt zu sein. Links am Bildrand wird erkennbar, dass einige nebelige Filamente durch den Staub hindurchscheinen. Wie der Nebel in seiner Umgebung aber in Wirklichkeit ausschaut, bleibt offen. Ebenso bleibt offen, welcher Stern für die Anregung der Emission verantwortlich ist. Um dazu nähere Informationen zu bekommen, muss also noch heftig „im Dunklen“ geforscht werden.

Anmerkungen zu den Filtern. Der verwendete Hα-Filter von Baader ist vom Typ her ein Ultra-Narrowband-Filter mit 3,5 nm Halbwertbreite. Wegen seiner Schmalbandigkeit lässt er die eng benachbarten [NII]-Linien nicht passieren. Die Aufnahme zeigt also nicht das Bild von Hα + [NII] wie bei den Schmalbandfiltern über 6 nm Halbwertbreite, sondern allein das emittierte Hα-Licht. Auch der [OIII]- und der [SII]-Filter von jeweils 8 nm Halbwertbreite stammen von Baader und sind recht engbandig. Baader bietet außerdem auch einen Ultra-Narrowband-Filter für [O III] mit 4,5 nm Halbwertbreite an. Die [OIII]-Linien liegen bei 495,9 nm und 500,7 nm, also beträgt ihre Wellenlängendifferenz 4,8 nm. Da der Filter offenbar schmalbandiger als die Wellenlängendifferenz ist, wäre eine Transmissionskurve von großem Interesse. Auf der Webseite ist so etwas aber leider nicht zu finden – schade.

Die extreme Schmalbandigkeit der verwendeten Filter hilft Thomas Wahl natürlich sehr, wenn er am Nordrand des Ruhrgebietes seine tiefen Deep-Sky-Aufnahmen macht und auf diese Weise das helle städtische Streulicht eliminiert. Wir bedanken uns herzlich für dieses informative und gefällige Motiv, und dazu unsere Gratulation zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Thomas Wahl

 

Koordinaten von DWB 118 gemäß AdW (J2000.0):
RA = 20 h 16 min 10 s, DE = +43° 41' 04''

 

 

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