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40. Woche - M 82 und ihr Superwind

| Astrofoto der Woche

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Auch wenn es sich wieder einmal um ein Standardobjekt handelt - M 82 ist einfach eine schöne und ansehnliche Galaxie, die sich jeder Astrofotograf irgendwann einmal vornimmt. So schildert uns heute Heiko Hillenbrand, Mitglied er Fachgruppe Astrofotografie, wie er das heutige AdW von M 82 aufgenommen und bearbeitet hat.

Aufnahmedatum war der Zeitraum vom 02.-05.04.2021. Der Aufnahmeort Großbardorf liegt in Unterfranken, ca. 10 km entfernt von Bad Neustadt/Saale. Zum Einsatz kam ein Meade LX850 ACF 10 Zoll mit 0,62-fachem Reducer der Marke Optec Lepus. So ergab sich eine Brennweite von 1240 mm bei 254 mm Öffnung (Apertur f/4,9). Die eingesetzte Kamera war eine ASI1600MM Pro (mono, gekühlt) der Firma ZWO. Belichtet wurde 14 x 600 s (L), jeweils 10 x 600 s für R, G und B, dazu 8 x 900 s für Hα. Insgesamt waren das 9 h 20 min. Das Bildfeld beträgt 39,4' x 28,9'. Norden liegt auf 13 Uhr.

Zum weiteren Vorgehen schreibt Heiko Hillenbrand: "Die Vorverarbeitung der Bilder erfolgte in Deep Sky Stacker. Dabei wurden je Kanal 15 Darks, 25 Flats und 25 Darks-Flats verrechnet. Die weitere Bildbearbeitung wurde mit PixInsight durchgeführt. Dabei wurde zuerst die RBG-Kombination erstellt, danach der Hα-Kanal hinzugefügt. Anschließend wurde das Bild mit der Luminanz kombiniert. Die Aufnahme erfolgte in meiner Gartensternware über vier Nächte im April. Zur Bildgewinnung und Steuerung der Montierung habe ich die Software N.I.N.A. verwendet, Die Nachführung übernahm PHD2 mit einer ZWO ASI290MM über ein auf die Hauptoptik aufgesatteltes Leitrohr mit 60 mm Öffnung und 240 mm Brennweite. Das Teleskop ist ein 10-zölliges Meade LX850 f/8 und wird von einer EQ6-R auf einer Betonsäule getragen."

M 82 bildet zusammen mit M 81 und NGC 3077 das zentrale Triplett der M81/82-Galaxiengruppe. M 82 ist (3,85 ± 0.35) Mpc entfernt, das sind 12,5 Mio. Lj (Vacca et al. 2015). Dies wurde aus Vermessungen der Supernova SN 2014J (Typ Ia) abgeleitet und passt gut zu den 3,89 Mpc, die Sakai & Madore (1999) angeben. Die Helligkeiten von M 82 sind in der Datenbank Simbad gelistet: B = 9,3 mag, V = 8,4 mag, d.h. B-V = 0,9 mag (gelblich). Dies wird vom AdW übereinstimmend wiedergegeben.

Was zeigt uns das AdW an interessanten Dingen? Die "Zigarrengalaxie" M 82 ist keine „edge-on-Spiralgalaxie“, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Sie besitzt keinerlei Spiralstruktur. Man nennt eine solche Erscheinungsform nach A. Sandage und J. Bedke (1994) auch "amorph" (= strukturlos). Die Farbe im Außenbreich ist bläulich. Der Längsdurchmesser im kontrastverstärkten AdW lässt sich zu 830" = 13,8' ausmessen, d.h. der wahre Galaxiendurchmesser erreicht ~50.000 Lj. M 82 ist in ausgedehnte Staub- und Gasmassen gehüllt. Durch diese Materie wird das Licht der enthaltenen Sterne gestreut, was wiederum für eine hohe Flächenhelligkeit und damit auch für eine leichte visuelle Beobachtbarkeit sorgt. Weiterhin gibt es viele dunkle Staubwolken, die M 82 durchkreuzen.

Was die Galaxie aber besonders auszeichnet, ist ein riesiger zentraler Ausbruch. Seinetwegen wurde M 82 auch in Arps Katalog der peculiären Galaxien als Nr. 337 aufgenommen. Der Ausbruch zeigt sich als rot leuchtendes Gebilde aus Gasfetzen. Diese Fetzen strömen vom gelben Zentrum der Galaxie aus, senkrecht zur galaktischen Ebene. Dabei verästeln sie sich allmählich und verdünnen sich nach außen. Ganz offensichtlich spielt sich der Ausbruch in zwei Teilbüscheln ab: eines ragt aus der Galaxienscheibe nach rechts oben hinaus, das andere nach links unten. Daher redet man in der Astronomie auch von einem "bipolaren Ausfluss". Schauen wir jetzt das Zusatzbild an, einen bearbeiteten Ausschnitt des AdWs. Die Gasausflüsse sind klar strukturiert. Sie reichen im Bild ca. 19.000 Lj nach außen. Interessant ist das Filament im unteren Bereich, welches mit drei roten Pfeilen markiert ist. Sogar oben rechts in der Ecke des Zusatzbildes ist ein extrem schwaches, rot leuchtendes Hα-Emissionsgebiet zu sehen (ein roter Pfeil). In der Forschung ist dieser Zipfel - allerdings noch viel ausgedehnter und detailreicher - als "Hα-Cap" mit internen Knoten bekannt (Devine & Bally, 1999).

Großräumige Ausflüsse sind bei Galaxien mit Sternentstehung des öfteren zu beobachten. NGC 1569 - von Amateuren selten fotografiert - zeigt beispielsweise ähnliche Ausfluss-Strukturen. Bei den heftigsten und größten Ausfüssen spricht der Astronom gern vom "Superwind" (Heckman et al. 1990). Der Superwind befördert einen Großteil der interstellaren Materie aus der galaktischen Scheibe hinaus in den Halo und sogar darüber hinaus bis in den intergalaktischen Raum. Ein solcher Materieverlust führt zwangsläufig zu einer Reduzierung der Sternentstehung in der betreffenden Galaxie.

Die Zone des Superwindes wurde inzwischen ausgiebig untersucht. Nicht dass nun gemäß AdW der Eindruck entsteht, das Ausflussgebiet würde allein in Hα leuchten. Neben der Hα-Emission wurden auch die Linien von Stickstoff [NII] und Schwefel [SII] nachgewiesen (C.D. McKeith et al., 1995). Darüber hinaus konnten CO-Molekülwolken im Superwind entdeckt werden (N. Krieger et al., 2021). Auch Staub konnte mit dem Sitzer-Weltraumteleskop nachgewiesen werden. Er hüllt die Superwindzone noch weiter außen kugelförmig ein (H. Roussel et al., 2010). Nahe dem Zentrum von M 82 strömt der Staubanteil des Superwindes mit ca. 350-400 km/s nach außen (M. Yoshida et al., 2019). Außen wird er dann merklich langsamer.

Wodurch wird der Superwind eigentlich erzeugt und angetrieben? So etwas geht immer zurück auf größere Mengen massiver, sehr junger und heißer Sterne. Die Gesamtheit ihres Sternwinds ist dabei die größte Treibkraft. Noch eines kommt hinzu: Schon wenige Millionen Jahre nach ihrer Entstehung enden die massivsten O-Sterne als Supernovae. Durch ihre explosiven Stoßwellen wird der Superwind nochmals verstärkt. Und so sehen wir in M 82 die Begleiterscheinungen eines heftigen Sternentstehungsausbruchs ("starburst"). Was ist da im Inneren von M 82 passiert? Eine sehr große Zahl von Supersternhaufen (engl. superstarcluster, SSC) entstand im letzten Starburst. Dieser war nur möglich, weil bei der letzten Begegnung von M 81 und M 82 große Mengen an intergalaktischem Gas ins Innere von M 82 geleitet wurden (R. de Grijs, 2001). Wie nämlich radioteleskopische Beobachtungen zeigen, ist das Gebiet um und zwischen M 81, M 82 und NGC 3077 von riesigen Mengen neutralen Wasserstoffs HI erfüllt. Optisch unsichtbar, ordnet er sich in Fahnen und Bögen an, als Beweis für eine Wechselwirkung aller genannten Galaxien. Die letzte nahe Begegnung ("fly by") zwischen M 81 und M 82 fand vor etwa 500 Millionen Jahren statt (Yun 1999; Mayya et al. 2006). Der dabei durch den Gaseinfall in M 82 induzierte Starburst dauerte bis vor kurzem an. Die entstandenen Sternhaufen und SSC decken einen Bereich von 4000 bis 4 Mio. Sonnenmassen ab (heller als jeder Kugelsternhaufen in der Lokalen Gruppe) und sind etwa 5 Mio. Jahre alt (Mayya et al. 2008).

Anmerkungen: Das Bild wirkt auf den ersten Blick ziemlich groß, so dass ich persönlich erst deutlich verkleinern muss, um alles auf dem Monitor zu haben. Die Sache ist aber sofort klar: Bei einem Bildmaßstab von 0,265 Bogensekunden pro Pixel wird der erfasste Bildausschnitt halt auf fast 9000 Pixel Länge abgebildet. Man könnte einmal darüber nachdenken, ob dieses Oversampling angebracht ist angesichts einer Bildauflösung um 2,5 Bogensekunden. Ein 2x2-Binning wäre insgesamt nicht schlecht mit all seinen bekannten Vorteilen. Die reale Bildauflösung würde darunter nicht leiden.

Die Bildbearbeitung gefällt. Sie ist dezent mit passenden Sternfarben, die durch die zusätzliche Hα-Beigabe nicht verfälscht werden. Die Farben sind auch bei den schwachen Hintergrundsternen gut differenziert. Wir danken für das ansprechende Bild und gratulieren zum Astrofoto der Woche!

 

Peter Riepe
Bildautor: Heiko Hillenbrand

 

Koordinaten von M 82 (J2000.0):
RA = 09 h 55 min 52 s, DE = +69° 40' 47"

 

 

 

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