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41. Woche - Ein bemerkenswertes Nebelfeld im Cepheus

Fotografiert von: Carsten Reese | | Astrofoto der Woche

Das heutige AdW ermöglicht uns einen Blick in den Cepheus. Bildautor Carsten Reese nahm dieses Motiv in fünf Nächten zwischen dem 2. bis 17. August 2018 auf. Aufnahmeort war Beckedorf im Landkreis Schaumburg (Niedersachsen). Das Bildfeld beträgt 47´ x 35´, Norden ist oben, Osten links. Als Teleskop kam ein Lacerta-Newton von 300 mm Öffnung und 1200 mm Brennweite mit GPU Korrektor zum Einsatz, dazu als Kamera eine Atik 383L+. Belichtet wurde wie folgt: L 240 min, R 60 min, G 100 min, B 100 min, Hα 420 min. Dies ist für Blende 4 mit 15 h 20 min schon eine beachtliche Zeit! Und noch eines: Die Farben sind gut dargestellt, passend zu den Farbindizes B-V der Feldsterne.

Für diejenigen, die jetzt mehr Hintergrundwissen zu den Objekten im Bild haben möchten: Der Cepheus ist bekanntlich voll von interstellarer Materie - Molekülwolken, Staub und Gas, dazu an einigen Stellen auch rotes Leuchten in Form von Hα-Licht. Zwei Gruppen roter Emissionsnebel stechen ins Auge. Bitte jetzt das Original herunterladen und ins Detail gehen! Da wäre zunächst im rechten unteren Bildbereich bei (1947/1410) die 2,1´ große HII-Region Sh2-148/149. In ihrem Zentrum wurde der Sternhaufen [BDS2003] 35 im infraroten Licht entdeckt. Seine hellsten Sterne machen sich auch visuell bemerkbar. Direkt am Nordostrand folgt eine weitere HII-Region, die jedoch mit 1´ Ausdehnung deutlich kleiner und separat ausfällt. In ihrem Zentrum sitzt ein 12,4 mag heller Stern. Dieser Nebel - zusammen mit Sh2-148/149 - wurde schon 1955 im Katalog von Gaze + Shajn als Objekt Nr. 265 gelistet, demnach der Name [GS55] 265. Jetzt von Sh2-148/149 etwa 6,3´ nach Südwesten: Dort entdeckt man ein rotes Leuchten, das von der lichtschwachen HII-Region Sh2-147 stammt. Die ist jedoch wenig spektakulär.

Im oberen linken Bildfeld liegen weitere HII-Regionen, zunächst der kleine, helle Nebel Sh2-152 mit 2´ Durchmesser bei (824/433). Ionisiert wird dieser Gasnebel durch den IR-Sternhaufen [BDS2003] 36. Auch er ist als heller Klecks visuell abgebildet. Nach Südosten schließt sich eine mit 6,2´ deutlich größere HII-Region an, die von Sh2-152 klar separiert ist und bei (578/583) den 11,3 mag hellen, zentralen B0-Stern LS III +58 70 aufweist. Dem Originalkatalog von Sharpless zufolge ist das Sh2-153, was die Datenbank Simbad leider nicht richtig wiedergibt.

Der Bildautor - selbst an der Durchsicht nach neuen Strukturen im Bild interessiert, schreibt nun: „Etwas rechts des Zentrums sehe ich eine Nebulosität unbekannter Art, mit einer dunklen Blase. Ich dachte erst an ein schlechtes Flat, aber genau dieser Nebel findet sich auch in (spärlichen) anderen Fotografien der Gegend. Vielleicht kann das AdW-Team ja zur Aufklärung beitragen?“ Prompte Bedienung für diese gute Idee! Das Zusatzbild (hier klicken) zeigt diese Nebelhöhle als Schwarzweißbild, invertiert und in Gradation/Kontrast angehoben. Wir sehen gelb markiert eine etwa 3,5' große, runde Nebelstruktur, die offensichtlich nicht ionisiert ist. Sie leuchtet im Originalbild eher gräulich, ein Reflexionsnebel also. Die Höhle legt aus Gründen der Dynamik auch nahe, dass im Zentrum ein stellares Objekt stehen sollte, das hier mit möglichen Sternwinden ein Aufblasen bewirkt. Was sagt die astronomische Fachliteratur? Der Stern bei den Pixelkoordinaten (1995/873) ist der 12 mag helle DI Cephei, ein Veränderlicher des Typs T Tauri. Er besitzt den Spektraltyp G8 und kann daher nur gelblichweißes Licht aussenden. Dadurch kann der Nebel zwar nicht ionisiert werden, aber er wird entsprechend erleuchtet. T-Tauri-Sterne sind äußerst aktiv, und warum sollte DI Cephei nicht diese Höhle in seiner unmittelbaren Umgebung selbst geschaffen haben? Um das zu unterstreichen: Es gibt zahlreiche spektroskopische Messungen von starken stellaren Winden bei T-Tauri-Sternen, teilweise mit hoher Geschwindigkeit. Wie weit solche Winde nach außen wirken, ist bisher nicht behandelt worden. Über den Nebel selbst habe ich auch nach langem Suchen nichts in der Fachastronomie gefunden. Es wäre also denkbar und wünschenswert, dass Carsten Reese sich hier Lorbeeren verdienen kann!

Text zum Objekt und den Aufnahmedaten: Peter Riepe

 

Carsten Reese ist Autor des heutigen AdWs. Das Bild ist eine Synthese aus Luminanz, sowie RGB-Bildern und einer Hα-Aufnahme zur Betonung der Gasnebel. Diese LRGB+Hα-Methode haben wir beim AdW schon häufig besprochen. Interessant ist vielleicht das Aufnahmeinstrument, welches von der Firma Lacerta kommt mit Sitz in Wien. Ohne es genau zu wissen, dürfte es sich dabei um eine firmeneigene Konstruktion handeln, die teils mit zugelieferten Komponenten, teils mit Eigenkonstruktionen der Firma Lacerta bestückt ist. So verspricht z.B. der Okularauszug eine besonders gute Stabilität und absolute Präzision. Insgesamt handelt es sich um einen auf die Astrofotografie optimierten Newton, der zusammen mit dem verwendeten Komakorrektor eine Einheit bildet, die man getrost als Astrografen bezeichnen kann. Die verwendete Kamera ist eine CCD-Kamera der britischen Firma Atik mit dem sehr bekannten CCD-Chip KAF8300.
Die Aufnahme ist sehr gelungen, nur bei genauer Betrachtung erkennt man ein paar Makel. Zum einen ganz leicht elongierte Sterne, die entweder auf einen kleinen Nachführfehler hindeuten oder einer nicht ganz präzisen Kollimation geschuldet sind. Beides Probleme, die jeder Astrofotograf kennt. Wenn solche Fehler bei der Bildaufnahme nicht zu beseitigen sind, ist es in unseren Augen durchaus legitim, die Aufnahme final in reduzierter Auflösung zu zeigen, um das Augenmerk auf die Objekte und nicht die elongierten Sterne zu lenken. Desweiteren befinden sich leichte Gradienten im Bild, deren Ursache schwer auszumachen ist, zu viele Dinge können hierfür verantwortlich sein. Da sich so etwas kaum vermeiden lässt, ist man angewiesen auf Software, die in der anschließenden Bildbearbeitung das Problem löst. Zum Einsatz kam hier die Software Theli, eine sogenannte grafische Benutzeroberfläche für einzelne Programmbausteine, die eine Datenreduktion vom Einzelbild zum fertigen Farbbild zulassen. Implementiert in Theli ist auch die sogenannte SkySubtraction, ein Prozess, der es erlaubt das unerwünschte Hintergrundsignal des Nachthimmels zu subtrahieren. Dabei kann man entweder die Software selber entscheiden lassen, was Hintergrund und was Objekt ist, oder man definiert einen Bildbereich, der eindeutig kein Objektsignal enthält. Aus eigener Erfahrung sei gesagt: Letztere Methode sollte immer Mittel der Wahl sein. Die Bilder, die Theli dann final liefert, suchen ihresgleichen. Mir ist keine Software bekannt, die bereits in diesem Stadium der Datenreduktion solch gute Ergebnisse liefert. Es ist allerdings kein Garant dafür, dass man Bilder mit Null Gradienten erhält. Darum muss vor allem dann, wenn die Bilder unter lichtverschmutztem Himmel aufgenommen wurden, mit zusätzlicher Software gearbeitet werden. Auch solche Programme wurden hier schon vorgestellt, allen voran PixInsight und der GradientXTerminator. Auch andere Softwares wie REGIM oder AstroPixelProcessor bieten Werkzeuge zur Entfernung von Gradienten an. Wie gut diese funktionieren, entzieht sich aber unserer Kenntnis.

Trotz der erwähnten kleinen Mängel darf man Carsten Reese zu dieser doch recht ungewöhnlichen Aufnahme gratulieren, und selbstverständlich zum AdW.

Kommentar zum Bild: Frank Sackenheim

 

Koordinaten von Sh2-152 (J2000.0):

RA = 22 h 56 min 11,5 s, DE = 58° 40´ 02´´

 

Sie haben Fragen oder Anmerkungen? Kontakt zum AdW-Team: fg-astrofotografie@vds-astro.de. Kontakt zum Bildautor: Dazu klicken Sie einfach oben auf den Namen. Sie können auch den Namen des Autors anklicken (rechte Maustaste) und dann die Mailadresse kopieren.

 

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