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46.Woche - Lichtschwache Hα-Fasern im Cygnus

| Astrofoto der Woche

Schwenkt man vom Hauptstern des Schwans - Deneb - etwa 3° nordwärts, so stößt man auf ein Feld mit filamentartigen, ziemlich lichtschwachen Nebelstrukturen. Bildautor Lutz Friedrich aus dem Südkreis Osnabrück richtete am 20.09.2020 seinen 200-mm-Newton plus Koma-Korrektor (Vixen R200 SS, f = 800 mm) auf dieses Gebiet. Mit einer Farbkamera des Typs ZWO ASI 294Mc Pro belichtete er insgesamt 2,3 Stunden, die Einzelbelichtungszeiten betrugen jeweils 6 Minuten. Zwar war das Seeing etwas besser als durchschnittlich, aber die visuelle Sterngrenzgröße lag bei 5 mag. Daher wurde ein Idas-Filter verwendet, um die störenden Emissionen des Stadtlichtes gerade im blauen und grünen Spektralbereich zu reduzieren. Als Montierung wurde eine Gemini-Montierung auf festem Dreibein eingesetzt, nachgeführt wurde mit PHD-II Guiding über ein Leitrohr 100 mm / 400 mm. Dies ist ein ca. 20 Jahre altes, restauriertes Gerät. Das Bildfeld beträgt 82,9' x 56,4' mit Norden oben und Osten links - die übliche Darstellung in der Astronomie.

Gemäß der Datenbank Simbad lassen sich einige rot leuchtende Nebel feststellen (siehe erstes Zusatzbild): LBN 375, LBN 376, DWB 191 und DWB 192. Schaut man sich die Originalarbeit von Dickel, Wendker und Bieritz an (The Cygnus X region. V. Catalogue and distances of optically visible H II regions; A&A 1, 270-280, 1969), so zieht sich DWB 192 weiter hoch nach Nordwesten. Dieser Bereich ist deckungsgleich mit einem Objekt namens Simeis 79, welches bereits in den 1950er Jahren in einen längeren Katalog galaktischer Radioquellen aufgenommen wurde, und zwar am Simeis-Observatorium auf der Krim. In den darauf folgenden Jahren waren es die Russen Gaze und Shajn, die sich lange Jahre mit all denjenigen Simeis-Radioquellen befassten, die eine optisch sichtbare HII-Region als Gegenstück besitzen. Und bei Simeis 79 alias DWB 192 ist das auch der Fall.

Im AdW sind noch mehr Nebelfilamente zu sehen. Welche Katalognummern haben sie? Über die Datenbank Simbad war nichts weiter zu finden, auch die Suche im Sharpless-Katalog brachte nichts weiter zutage. Dies mag daran liegen, dass das Gebiet im Schwan von schwachen Nebelfilamenten gefüllt ist. Viele hängen mehr oder weniger miteinander zusammen, weil sich in diesem Gebiet zahlreiche Supernovaexplosionen ereignet haben. Und die haben aus dem überall vorhandenen Wasserstoff solche Hα-leuchtenden Filamente geschaffen, die sich im Laufe der Millionen Jahre expandierend im Raum verteilt haben. Will man tatsächlich jedes Filament katalogisieren? Für die Astronomen sind alte, diffundierende Hα-Filamente kaum von Interesse, wohl aber die jungen HII-Regionen, in denen (oder um die herum) etwas passiert, z. B. Sternentstehung.

Ein interessanter Stern wurde im AdW mit erfasst. Er liegt am linken Bildrand und zeigt eine sehr orangerote Eigenfarbe. Der Stern - ein Veränderlicher namens V Cygni - ist ein so genannter Kohlenstoffstern (engl.: carbon star). Diese Sterne zeichnen sich dadurch aus, dass sie in ihrer äußeren Atmosphäre extrem viel Kohlenstoff besitzen und wenig Sauerstoff. So können sich überwiegend "russige" Verbindungen bilden, zumal die effektive Temperatur nur etwa 3000 K beträgt (das ist im stellarastronomischen Sinn kühl ...). Die Kohlenstoffverbindungen absorbieren das blaue Licht und lassen das Rot umso wirkungsvoller durch. V Cygni ist im visuellen Bereich 7,7 mag hell, im Blauen aber nur 14,05 mag. Der Farbindex ist daher mit B-V = 6,35 mag extrem rot. Im zweiten Zusatzbild (aus Aladin) ist V Cygni einmal im Visuellen abgebildet (oben), dazu unten im Nahinfrarotbereich bei 2 Mikrometer Wellenlänge. Ein paar Sterne mit gelben Nummern dienen als Anhaltspunkte, um zu zeigen, dass der Maßstab beider Teilbilder gleich ist. Links der Bildmitte sind zwei Sterne erkennbar, die im Visuellen nicht, im NIR dagegen klar hervortreten. Dies zeigt, dass abgesehen vom leuchtenden Wasserstoff auch Staub einen Großteil der interstellaren Materie bildet.

Anmerkungen: Nach dem AdW aus der Woche 39/2019 hat sich Lutz Friedrich erneut den Schwan vorgeknöpft, diesmal aber mit einem lichtstarken Newton-System. Lädt man sich das Original herunter, so stellt man fest: Die Sternabbildungen sind besonders in der rechten unteren Bildecke deutlich deformiert. Mein Tipp: Sollte der Sitz des Korrektors (Position und eventuelle Verkippung) nicht einmal überprüft werden? Zumal eine leichte Vignettierung in den Bildecken sichtbar ist. Lobend zu erwähnen: Der Autor hat die Belichtungszeit gegenüber früher merklich gesteigert, aber für ein Öffnungsverhältnis von 1:4 darf es doch noch gern das Doppelte sein! Eine Reduzierung des Rauschens wäre die positive Folge. Die Verwendung des IDAS-Filters wurde hier schon hin und wieder kommentiert. Das darf ich hier einmal ganz wertneutral wiederholen: Ein solches Filterglas absorbiert nicht nur wesentliche Teile des städtischen Nachtlichtes, es nimmt auch einen wesentlichen Anteil des Sternkontinuums weg – und gerade aus dem blauen und grünen Bereich des Spektrums. Demzufolge zeigen die Sterne das Blau nicht intensiv genug, wie es ihrer Temperatur entspricht. Allerdings kann ich mit dem Bildautor mitfühlen: Das störende künstliche Licht ist schon sehr hässlich ...

Das Motiv zeigt ein wirklich selten aufgenommenes Gebiet. Dazu Dank an den Bildautor und zum Astrofoto der Woche die Gratulation des AdW-Teams!

 

Peter Riepe
Bildautor: Lutz Friedrich

 

Koordinaten (J2000.0) der Bildmitte:
RA = 20 h 37 min 23 s, DE = +48° 00' 55"

 

 

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