Die Entdeckungsgeschichte des Planeten Neptun
Die Geschichte der Entdeckung des achten Planeten, Neptun, ist ein Glanzstück theoretischer Astronomie. Dem französischen Astronomen Leverrier gelang aus den beobachteten Abweichungen der Positionen des Planeten Uranus zu den berechneten, den Ort eines hypothetischen Planeten zu berechnen, der für die Störungen verantwortlich sein müsste. Tatsächlich gelang es dann dem Berliner Astronomen Galle und seinem Assistenten, in der Nähe der berechneten Position den Planeten zu finden.
Ihren Anfang nahm die Geschichte im Jahre 1821 in Paris. In diesem Jahr hatte der französische Astronom Alexis Bouvard verbesserte Tafeln (Ephemeriden) für die Planeten Jupiter, Saturn und Uranus herausgegeben. Ihm fiel auf, dass sich die Bewegungen von Jupiter und Saturn sehr gut durch die Newtonsche Gravitationstheorie berechnen ließen, galt dies nicht für Uranus. Auch nach sorgfältigster Berücksichtigung der Störungen aller Planeten, wich die beobachtete Planetenposition immer stärker von der berechneten ab. Bis 1844 wuchs die Abweichung auf 2 Bogenminuten.
Im Jahr 1845 nahm sich der französische Mathematiker und Astronom Urbain Jean Joseph Leverrier des Problems an. Nachdem er sorgfältig alle bisherigen Berechnungen überprüft hatte und keine weiteren Fehler gefunden hatte, kam er zu dem Schluss, das ein noch unbekannter Planeten die Bewegung des Uranus stören muss. Da er keine Hinweise auf die Lage des Kometen im Sonnensystem hatte, setzte er die Titus-Bodesche Reihe fort. Unter der weiteren Annahme, dass sich der unbekannte Planet in der Ekliptik bewegt, gelang es ihm im Sommer 1846 dessen vollständige Bahnelemente abzuleiten.
Der englische Konkurrent
Doch Leverrier war nicht der einzige, der sich mit dem Problem befasste. Schon zwei Jahre zuvor, 1843, hatte der englische Student John Couch Adams damit begonnen, die Position des unbekannten Planeten zu berechnen. Im Oktober 1845 teilt er dem Royal Astronomer Airy seine Berechnungen mit. Diese waren so genau, dass Neptun entdeckt worden wäre, hätte man danach gesucht. Aber Airy glaubte den Berechnungen nicht und verlangte weitere Erläuterungen. Adams allerdings ignorierte Airys Wunsch. Zum anderen hatte Adams mehrere Berechnungen durchgeführt, deren Ergebnisse stark von einander abwichen - bis zu 20 Grad. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass sein erstes Ergebnis das beste war.
Inzwischen konnte der Planet nicht beobachtet werden, weil sich seine Position zu nahe bei der Sonne befand. Erst im Sommer 1845 öffnete sich wieder ein Beobachtungsfenster. Dem englischen Astronomen James Challis fiel die Ähnlichkeit zwischen den berechneten Bahnelementen von Leverrier und Adams auf und begann eine systematische Nachforschung nach dem Planeten. Doch unglücklicherweise benutzte er eine aufwändige Methode. Er suchte nicht nach einem Planetenscheibchen, sondern versuchte vielmehr, ihn durch seine Bewegung unter den Sternen zu erkennen. Da sich der Planet nur langsam bewegt, musste er alle Sterne in der Umgebung des berechneten Ortes mehrfach beobachten, um eine Ortsveränderung zu erkennen. Tatsächlich hatte er ihn schon am 4. und 12. August 1845 beobachtet und seine Position notiert. Leider führte er seine Beobachtungen weiter, ohne seine Daten einer genaueren Untersuchung zu unterziehen.
Die Entdeckung
Im September 1846 schrieb Leverrier an den Berliner Astronomen Galle einen Brief und bat ihn, nach dem Planeten zu suchen. Dieser fand ihn unterstützt von seinem Assistenten d’Arrest noch am selben Abend des Tages, dem 23. September, an dem der Brief bei der Berliner Sternwarte eingetroffen war. Ein glücklicher Umstand kam den beiden Forschern dabei zu Hilfe. Kurz zuvor waren neue, bessere Sternkarten angefertigt worden, auf denen deutlich schwächere Sterne als der Planet verzeichnet waren. Auf dem Blatt 21h der Akademischen Sternkarten fehlte ein Stern. In der folgenden Nacht hatte er seine Position deutlich verändert. So wurde Neptun kaum 1º von der berechneten Position entdeckt.
Adams konnte dann mit Hilfe der beiden nicht analysierten Beobachtungen von Challis und einer weiteren nach der Entdeckungen eine verbesserte Bahn berechnen. Doch war die Zeitspanne der Beobachtungen von 6 Wochen zu kurz, um insbesondere für die Exzentrizität der Neptunbahn genauere Werte zu bestimmen.
Die Datenlage verbesserte sich aber rasch, als der amerikanische Astronom Sears Cook Walker am US Naval Observatory heraus fand, dass Neptun schon am 8. und 10. Mai 1795 vom französischen Astronomen J.J. Lalande beobachtet worden war, ihn aber nicht als Planet erkannt hatte. Walkers verbesserte Bahn wich deutlich von Leverriers Ergebnis ab. So verkürzte sich die große Halbachse der Neptunbahn von 36,15 auf 30,25 Astronomische Einheiten und die Umlaufzeit von 217,4 auf 166,4 Jahre. Auch stellte sich heraus, dass Galileo Galilei den Planet am 28. Dezember 1612 und einen Monat später gesehen hatte, aber nicht als Planet erkannte. In seinem Beobachtungsbuch hatte er vermerkt, dass sich der "Stern" gegenüber den anderen bewegt haben könnt. Aber er ging der Sache wohl nicht weiter nach.
Somit war bei der Entdeckung Neptuns auch eine Portion Glück im Spiel. Tatsächlich lieferte Leverriers Ergebnis zufällig fast dasselbe Resultat wie moderne Berechnungen. Dieser Umstand soll aber die Entdeckungsleistung nicht schmälern.
Quellen:
Kollerstrom, "An hiatus in history: The British claim for Neptune’s co-prediction, 1845–1846", in Hist. Sci., xliv (2006)
Krajnović, D.: "The contrivance of Neptune" in Astronomy & Geophysics 2016 57, S. 28ff, https://arxiv.org/abs/1610.06424
Zekl, H.: "Die unerzählte Geschichte der Neptun-Entdeckung", https://www.astronews.com/news/artikel/2003/05/0305-017.shtml